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Brief vom 15. Juni 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


503.


[045]
Versaille den 15. Juni 1702.
… Ich glaube, daß man der Königin in Engellandt auch noch woll eher alß König Wilhelm wirdt müdt in Engellandt werden, denn die nation kan nicht lang Könige haben ohne sie zu haßen. Alle Englander, so noch hir sein, sagen, die Königin hette sich kranck gesoffen. Heütte morgen hatt man zeittung bekommen, daß der duc de Bourgogne den degen in der handt Clef überrompelt hatt undt daß zu Keysserswehrt ein außfall geschehen[1], wo etlich sagen 3 oder 4 taußendt von denen, so belagern, niedergemacht sein worden… Ich ließ dem König in Schweden seine gotsforcht woll hingehen, wenn [er] nur sonst nicht so wildt were. Die Poln, so so eyfferig catholisch sein, wirdt es woll sehr verdroßen haben, daß der König im schloß zu Warschau hatt predigen laßen; das wirdt dem König in Poln beßer bekommen alß seine armée, denn auß furcht, in des lutherischen Königs hände zu fallen, werden sie ihrem König treü verbleiben. Der König in Schweden mitt seiner inspiration muß ein wenig pietistisch sein. Dem König in Poln ist es gangen recht wie das teütsche sprichwort sagt: Wenns der geiß zu woll ist, so geht sie auffs eyß undt bricht ein bein[2]. Mantou ist nun entsetzt undt ohne bludtvergießen; waß ich possirlich in der sach gefunden, [046] ist, daß der hertzog von Mantua[3] von hauß zu hauß geloffen, jederman geküst undt dabey geruffen: Vive le roy de France! Das steht nicht gar fürstlich, deücht mich. Daß Keyßerwehrt noch fest helt, werden E. L. schon wißen. Man muß bekenen mons. de Blainville[4] helt sich woll. Ich vernehme mitt freüden, daß I. M. der Königin in Preussen bößer halß wider gutt wirdt undt daß I. M. kein fieber mehr haben; Gott erhalte die liebe Königin zu E. L. freüde undt lange jahren bey vollkommener gesundtheit. Das wetter ist so schön undt warm, daß es I. M. woll nicht wirdt schaden können, in den gartten zu gehen; nach dem baw zu sehen ist gefährlicher, weill das kalck undt das gibs in den halß fliegen können undt also den halß schlimmer machen. Aber die, so das bawen lieben, könnens nicht laßen, zu ihren arbeyttern zu gehen. Wie E. L. die große stiege beschreiben, muß sie gar schön sein; bawen undt mahlen undt vergulden kost allezeit viel. Es muß ein künstlicher bawmeister sein, so die stiege gebautt hatt. Ich meinte der Czaar würde seinen sohn nach Berlin schicken, umb mitt dem cronprintzen erzogen zu werden; hiran thete er gar woll. Mich deücht, es war eine große imprudence vom König von Poln, dem König in Schweden waß zu vertrawen, da er doch woll wuste, daß er sein ärgster feindt were. Aber was hatt das freüllen Königsmarck mitt dießer sach zu thun[5]? Das kompt mir aber ebenso woll alß E. L. abgeschmackt vor, daß der König in Schweden die Königsmarckin nicht hatt sehen wollen; wie kan man so albere sachen rühmen? Der König in Schweden ist ja groß undt starck genung, daß ihn dieß freüllen nicht hette nohtzüchtigen können; was hatt er sich sonst zu fürchten, denn hofflichkeit ist er ja allen damen schuldig; aber das weiß er vielleicht nicht, denn das wirdt er nicht in der corps de guarde auff dem strohstreüe bey den soldaten lehrnen. Wenn die belägerung von Landau[6] so viel leütte frist wie die von Keyßerswehrt, so werden die arméen dünn werden undt Franckreich nicht so baldt aufgefreßen werden…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Juni 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 45–46
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0503.html
Änderungsstand:
Tintenfass