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Brief vom 17. September 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


508.


[049]
Versaille den 17. September 1702.
… Wie ich sehe, so ist I. L. der Churfürst von Braunsweig gantz à la mode undt hatt auch die foiblesse nicht, tendre zu sein vor sein fraw [050] mutter undt fragt wenig darnach, daß er so lang geweßen [ohne] E. L. zu sehen, indem er sich nicht wider bey E. L. eingefunden, wie sie von Dero reiße gekommen sein: das ist die rechte hießige mode undt das wirdt sehr bey alle junge leütte estimirt, ich aber, so von der alten weldt bin, kan es gar nicht estimiren. Made Desborde[1], so meiner dochter sougouvernante geweßen undt vorher lange jahre cammerfraw bey König Carls gemahlin geweßen, soutenirt noch, daß die princes Anne sich alle tag voll gesoffen, wie sie in Engellandt war. Alle der Königin complimenten da mach ich kein wercks von, so lang dieße Königin E. L. die pension nicht gibt, so E. L. alß negste erbin gebühret, denn es ist eine ungerechtigkeit, die sie E. L. thut… Unter gutten freünden sagt man, die gütter seindt gemein, also, weill der König in Schweden so devot undt unßers Herrgotts freündt, meint er, er könne woll nehmen was in Gottes hauß ist, denn unßer Herrgott hatts doch nicht von nöhten, aber gelt zu nehmen von denen, so in die kirch gehen, das seindt eher soldaten- alß devotten maniren, es ist auch nicht gar königlich. Ich glaube nicht, daß dießer Konig ohne la protection de la vierge bataillen gewindt; es seindt auch viel lutterische, so auch viel wercks von der h. jungfraw Marie machen, ich weiß nicht, ob der König in Schweden von denen ist; aber die gutte mutter Gottes muß viel mitt Königen undt Keyßer jetzt geplagt sein, denn sie wollen sie alle auff ihrer seytte haben. Zu Herodes zeitten war sie mehr in ruhen davor. Mons. Kniphaußen muß eine große politesse haben, daß er E. L. nicht recht sagen darff, wie ich außsehe, denn mein haut ist von vielen jagen verdorben undt roht worden, die kinderblattern haben mir die haut auch gröber gemacht, summa: ich bin ein alt undt gar heßlich schätzgen… Printz Eugene hatt seiner mutter undt geschwister naße nicht, contrarie: er hatt eine kurtze stunpfe naß, die augen nicht heßlich undt man sicht woll ahn seinen augen, daß er verstandt hatt; er helt den mundt schir allezeit offen. Ich weiß nicht, ob er gewacksen ist, er war aber zimblich klein vor sein alter undt gesetzt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. September 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 49–50
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0508.html
Änderungsstand:
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