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Brief vom 24. Dezember 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


515.


[055]
Versaille den 24. December 1702.
… Ich kan keine gutte fraw heißen wer seinen vatter nicht lieb gehabt hatt, alles übels ahngethan, ihren bruder nicht lieb hatt undt E. L. nicht gibt was sie E. L. schuldig ist. Solte die Königin[1] vor printz Gorgen sterben, were das ein glatter wittwer mitt seinen 100 000 pont sterling einkommen vor E. L. enckel, die Churprintzes… Ich halte, daß E. L. nun baldt die ceremonie schrifftlich bekommen werden, die sich zu Berlin wegen [056] des ordre zugetragen. Was werden aber alle teütsche reformirte pfarer dazu sagen, daß der König in Preussen seinen hoffcaplan in masquen kleydt? Ich finde, daß die liebe Königin die sach gar recht getroffen hatt. Es ist schadt, daß dießer König nicht catholisch ist, I. M. würden manche große meß hören undt sich von den bischoffen mitt weirauch beräuchern laßen; ich glaube, sie würden auch neüe ceremonien inventiren, undt were ich herr undt meister, würde ich sie alle abschaffen… Wo hatt der Churprintz das lange gesicht her bekommen? Ich weiß ja niemands im gantzen geschlegt, so ein lang gesicht hatt. Es ist doch gutt, daß, weillen eins hatt heßlich undt das ander hübsch sein sollen, daß die schönheit auff die printzes gefahlen ist. Bielcke[2] hoffmeister war ohne zweyffel ein Schwedt, mögte also woll mitt Königsmarck leütte umgegangen sein undt waß von der sach erfahren haben, worauff er ohne zweyffel seine prophezeyung fondirt. Weillen dieße printzes von Allen[3] ihre fraw mutter[4] undt damen offt sicht, auch spatziren fahren kan, ist sie nicht so sehr zu beklagen…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Dezember 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 55–56
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0515.html
Änderungsstand:
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