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Brief vom 28. Februar 1703

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


520.


[060]
Versaille den 28. Februari 1703.
Mons. Gortz[1] kompt mir alleweil sagen, daß er seinen pasport hatt undt wider nach Hannover wirdt; weillen ich dieße gutte gelegenheit habe, gebe ich dießes schreiben mitt, welches mir vor dießmahl der verfluchte Torcy[2] [061] nicht stehlen kan. Ich schicke E. L. ein liedt, so der duc de la Ferte[3] gemacht hatt, so malcontent vom König undt printz de Conti ist, undt welches ich nicht durch die post habe schicken können. Sonsten kan ich E. L. durch dieße gutte gelegenheit wenig neües sagen. Alles geht auff den alten schlag; die Maintenon stelt sich immer ahn, alß ob sie kranck were, den König immer vor sie zu attandriren, daß er desto mehr thut alles was sie will. Der dauphin ist seiner princes de Conti greülich müdt, denn sie ist gridtlich[4], weillen er aber eine favorittin hatt, so dießer printzes freülen geweßen undt nicht mehr bey ihr ist undt madlle Choin[5] heist, umb welcher willen er so offt nach Meudon gehet, undt alle der princessinen ihre gutte freündinen, alß made de Lislebonne[6] döchter, der Choin gutte freündinen auch sein, undt also gar woll bey dem dauphin; also umb ihrethalben bleibt er doch bey der princes de Conti wie ordinari. Da Gott vor sey: solte der König zu sterben kommen, zweyffle ich nicht, daß die Choin der Maintenon personage gantz agiren würde. Ich kan nicht begreiffen, wie der herr diß mensch so gar lieb haben kan, sie stinckt ärger auß dem maul alß die Stubenvoll[7], sie ist die confidantin von der lieb von der Raisin[8], so commediantin geweßen. Der duc de Bourgogne ist in einer so erschrecklichen devotion, daß ich glaube, daß er gantz einfältig, auch woll gar ein quietist werden wirdt. Er will nicht in die commedie gehen auß devotion; seine gemahlin ist boßhaft undt coquette, sie wirdt ihm materie zur mortification geben. Mein duc de Bery ist ein gutt kindt, so ahn nichts alß lachen undt spiellen denckt undt nach nichts fragt. Mein sohn hatt mehr verstandt alß sie alle, allein er ist foible undt lest sich durch leütte führen, so weniger verstandt haben alß er, undt das macht ihn personagen agiren, so sein caractere nicht sein. Seine gemahlin deücht gar nichts, seüfft undt ist coquette, undt er meint, sie seye ein merveille, weillen sie alles leydt, daß er maistressen hatt undt nicht jalous von ihm ist, undt er merckt nicht, daß sie nichts nach ihm fragt. Man hatt ihn dermaßen gegen mir auffgewickelt, [062] daß er mich gar nicht lieb hatt, undt wenn es die bienseance zuließe, würde ich ihn nie sehen; er kompt nur einen augenblick des tags zu mir, nur umb zu sagen, daß er zu mir kompt, geht gleich wieder weg. Was mein leben ahnbelangt, geh ich so mein schlendrian hin; man thut mir nichts guts undt nichts bößes. Man will mich nirgends haben, leb à part wie ein reichsstädtel[9]. Ich habe mein bestes gethan, wie das gantze Königliche hauß bey dem König undt auch der Maintenon zu sein; weillen man es nicht will, muß ichs mich woll getrösten, habe auch mein parthey drüber gefast undt bekümere mich nicht mehr drumb. Da habe ich E. L. nun alles gesagt was ich weiß…[10]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Februar 1703 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 60–62
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0520.html
Änderungsstand:
Tintenfass