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Brief vom 15. April 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


529.


[071]
Marly den 15. April 1704.
… Der König hatt der gräffin von Fürstenberg[1] pension geben, man meint aber, sie hette es wenig von nöhten, solle den cardinal[2] braff geplündert haben; den tag, wie er starb[3], wolte man ihm noch eine portion cordiale geben, allein man funde weder löffel noch silberschälgen in seinem gantzen hauß, alles war fort, muste es in des schweytzers, so ahn der haußthür war, irdene tasse nehmen; welches jederman geärgert hatt… Es geht ein geschrey alß wenn Chur Bayern[4] den printz Louis[5] wider solle gebufft haben, man weiß aber nichts sichers davon. Das hatt hertzog Anthon Ulrich unglück gebracht, alle seine heros so sterben zu machen, das hatt ihm den todt in sinn undt ins hauß gebracht[6]. Er mag acht haben, daß er [072] nicht selber folgt. Le Sicillien[7] ist eine kleine commedie von Moliere; wenn E. L. den reqeuil von Molieres commedien haben, muß dieße auch drin sein. Baron wirdts sehr frewen, wenn ich ihm sagen werde, daß E. L. seine commedie, so er von Terence in frantzösch gesetzt[8], all artig gefunden haben. E. L. seindt magnifiq zu Hannover logirt undt recht a la grande. Da E. L. drin spiellen, heist man das nicht mehr die presentz wie zu meiner zeit[9]? Wie Hanover zu meiner zeit war, weiß ich noch perfect woll. Erstlich war ein hoff, auff der rechten handt ein groß hauß mitt einem engen dörgen, da logirte der marschalck Grabendorff[10] in; darnach war eine hohe mauer undt zu unten der mauer ein thurgen, da geht man zum stall undt auff den wall. Wenn man in den zweyten hoff will, threhet man in ein groß thor zur lincken handt, da kompt man in einen viereckten hoff, auff der lincken seydt ist die mauer undt fenster von der schloßkirch, auff der rechten eine stiege, die führt auff zwey offene gallerien über einander; es waren stiegen ahn jeder eck: die erste, da ging man auch zu pattes[11] apartement, undt oben drüber wars, wo man die frembten logirt. Auff der unterdesten gallerie da war ein sahl, darnach kamern, wo die fraw von Harling logirt, wie sie geheüraht wurdt; oben drüber war das frawen-zimmer, nach dem frawen-zimmer mein apartement; hernach der printzen cammer, wie sie kinder waren; hernach das billiart; darnach E. L. vorgemach, wo sie aßen, wenn kein frembdte da waren; darnach eine donkle presentz; darnach Dero schlaffkammer mitt zwey fenster: das gegenüber der thür ging auff ein klein balcon, da hatten E. L. vergülte undt geschnitzte blumenpott mitt jaßmin- undt pomerantzen-baumger. Wenn man von der presentz herein kompt, war auff der lincken handt zwey cammern, so E. L. garderobe war; auß der ersten thur ging man auff die offene gallerie. In das zweyte war eine kleine stiege undt darnach die kirchenthur. E. L. bett stundt zwischen dem fenster undt garderobethur; gegenüber das bett war das camin; zwischen dem zweyten fenster undt camin eine thur, die ging zum heimlichen gemach undt wo E. L. kackstuhl stundt; zu endt war eine stiege, wo sie ’nunder zu oncle gingen, so eine große altan vor sein cammer hatte, so auch auff die gaße das außsehen [hatte]. E. L. presentz aber undt antichambre sehen nur auff den dritten hoff, wo das althauß; undt gegenüber die küche war ein brunen, wo man das waßer mitt ein eyßen gehen macht. Meine stube hatte daßelbige außsehen, mein cammer aber sahe auff die Leine. Darnach war [073] eine gelbe kammer; darnach meine garderobe; darnach der jungfern kammer (denn damahl waren sie noch keine freüllen), wo sie schlieffen; dießes alles sahe auff die Leine. Darnach war eine cammer, so nur auff die gallerie sahe. Der printzen fenster hatte auch die außsicht vom dritten hoffe. Jenseit der kirch war ein großer sahl, wo E. L. die teütschen commedianten spiellen ließen; darnach war ma tante Ließbett[12] apartement, die alte abdißin von Hervort aber logirte just über pattes apartement. Das ist alles was ich mich noch vom schloß von Hannover erinern kan. Ich erinere mich, daß, wenn man das schloß jenseyder der Leine sicht, so sicht es auß wie ein closter. E. L. werden auß dießem allem ersehen, daß ich mich des schloß zu Hanover noch gar woll erinere. … Mich wundert, da patte doch allezeit so liberal ist, daß I. L. die gräffin von Warttenberg nicht beschenckt haben, umb einig mitt dem König in Preussen zu bleiben, denn es muß I. L. doch unahngenehm sein, daß die liebe Königin[13], seine niepce, nicht zu I. L. darff. Und hertzog Anthon Ulrich hatt, deücht mir, woll gethan, des Königs in Preussen genaht mitt ein brillant zu kauffen. Die gräffin von Warttenberg muß nicht allein interessiert, sondern auch recht boßhafft sein, den armen margraff Albert zu verfolgen, weillen er ihr nichts geschenckt hatt; margraff Philip muß ihr den teüffel noch nicht gethan haben, weillen dieß weib mehr in credit, alß nie ist. E. L. können noch gemächlicher in den predigten schlaffen, alß ich, denn sie sitzen in einem gutten sessel oder chaisse à bras in Dero kirch, ich aber nur auff ein pliant[14], bin alß bang, einmahl zu fallen…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. April 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 71–73
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0529.html
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