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Brief vom 10. August 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


538.


[079]
Marly den 10. Augusti 1704.
… Mons. de Torcy[1] sein langsamer übersetzer muß ja woll einen tag haben, E. L. gnädiges schreiben ins frantzösch zu bringen; er selber, mr. Torcy, so in nichts geschwindt ist, alß böße office zu leisten, muß ja auch woll einen tag haben, die brieffe zu leßen undt sie wider zu zu pitschiren undt ahn Brosseau[2] zu schicken; sie kommen den dritten tag in meine hände, das ist die rechnung just, können also nicht geschwinder gehen. Mich deücht, daß man ursach hatt hir, getröst zu sein über was in Bayrn bey Donnawert[3] vorgangen, indem der König gar wenig leütte undt niemandts von condition verlohren, da hergegen so gar viele hohe undt wackere officire vom seindt geblieben sein, undt so viel taußendt mann. Donawert soll ein offen ort undt nicht viel besunders sein; daß man aber das Bayerlandt so übel zuricht, das kan schwerlich anderst sein, weillen es ja jetzt das theatre vom krieg ist. Es geht ein geschrey zu Paris, alß wenn der hertzog von Savoyen dem König eine carte blanche geschickt hette; obs wahr ist, weiß ich nicht, aber wenn es sich also befindt, wirdt sein ellendt baldt ein endt haben… Ich halte, daß mr. de Tallart[4] nun bey Churbayren ist, man wirdt also woll nun baldt waß neües hören. Also sehen E. L. woll, daß man Churbayren hir acht, wie man soll… Ich beklage woll die liebe Königin in Preussen über den schrecken, so I. M. wegen dero cronprintzen außgestanden. Lest man denn dießen printzen ohne hoffmeister noch edelleütte ins reidthauß gehen undt die pferde nach seiner fantasie reitten? Das ist ja nicht nach der ordnung, undt der König, sein herr vatter, der so sehr die gravitet undt ceremonien liebt, wie lest er seinen cronprintzen so unbedint gehen? .
Ich bin hir wie olimbe[5], ich höre von den himmlischen freüden undt bin nicht dabey. Vergangen Donnerstag schickte der König auß jedem pavillon ein present ahn die duchesse de Bourgogne, auß dem ersten pavillon hir schickte Flora der duchesse de Bourgogne blumen undt vers; auß dem [080] 2. undt 3. kame eine colation von obst, confituren, glassen[6] undt liqueurs, so liebe bracht undt so Pomona schickte; auß dem 4. kame ein korb mitt schön bandt von allerhandt gattung, scharpen, allerhandt evantails mitt demanten, rubinen undt schmaragden eingefast, welches auch eine gottheit pressentirt, weiß nicht mehr welche; im 5. war, weillen sie gern spint, ein spinradt de la Chine auff einer taffel von selbigem lack, undt 200 pfundt seyden, umb zu spinnen; im 6. pavillon, wo der große globe terrester ist, waren corbe mitt allerhandt stückstoffen undt robe de chambre; im 7., wo der globe celeste, waren allerhandt rare sachen auß Indien; auß dem 8. kamen schöne perspectiven, die stern zu betrachten; auß dem 9. waren schönne parasols gegen der sonnen; im 10. war eine gantze taffel von gar über die maßen schön indianisch silbergeschir; in dem 11. war ein cabaret von massif golt; in dem 12. war ein groß gemähls in migniature mitt einem magnifiquen rahm: die duchesse de Bourgogne selber, so den duc de Bretanien[7] auff dem schoß hatt. Gestern habe ich meinem sohn undt seiner gemahlin eine visitte geben zu St. Clou, sie solten eine opera hören, so mein sohn selber gemacht hatt, weillen es aber erst umb 9 ahnging, konte ich nicht darbey sein, denn wie ich den König nie alß ahn taffel sehe, kan ich nicht von des Königs taffel bleiben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. August 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 79–80
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0538.html
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