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Brief vom 26. Oktober 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


550.


[090]
Versaille den 26. Octobre 1704.
… Vergangenen Donnerstag seindt wir umb 11 uhr von Fontainebleau auffgebrochen; wir waren 6 ins Königs kutzsch, I. M. undt die duchesse de Bourgogne oben, hinten mons. le dauphin undt ich, undt in den schlägen meines sohns gemahlin undt die princes de Conti. Wir kamen umb ein virtel auff 5 mitt 3 relais zn Seaux[1] ahn. Ich ging gleich spatziren undt spatzirte biß nach 5, der König aber, biß es nacht war. Die duchesse de Bourgogne mitt ihren damen spielten landtsknecht in mad. de Maintenon antichambre. Abendts hatte der König gantz in particulir bey mad. de Maintenon ein concert; ich amusirte mich in mein cammer mitt trictrac[2] spielen, das ich gar übel weiß. Hernach ging man zu taffel; nach dem eßen blieb man ein virtelstündtgen ins Königs cabinet; darnach ging ich nach bett … Andern tag, alß Freytags, schrieb ich morgendts ahn mein dochter undt noch sonst 2 oder 3 brieff; der König aber ging unahngesehen des nebels spatziren; umb 1 ging man zur taffel; unterdeßen fiel der nebel, es wurde das schönste wetter von der welt, recht sanft wie in dem Mayen … Ich ging die neüe springbrunnen sehen, so du Maine hatt machen lassen, so recht schön sein, es seindt wie zwey durchgebrochene felßen von stein, muscheln, corallen, perlmutter undt mitt schilff undt rohr; die colben von dem schilff undt rohr seindt vergült. Das waßer felt wie eine cascade naturelle von oben über den felßen undt muscheln mitt ein geräusch, welches recht ahngenehm ist; dieße zwey springbrunen stehen gegen einander über in ein salon von if (eibe)[3], ich weiß nicht, wie dießer baum auff teütsch heist, gantz mitt grünen palisaden umbringt, daß es gantz wie ein particulir cabinet ist; von dar ging ich in den potage[4], so groß undt schönn ist, wolte sehen, was der arme mr. de Navaille[5], meines sohns geweßener hoffmeister, so sehr gelobt hatt. Zu mr. Colberts zeitten kam er expresse, Seau[6] zu sehen; man [091] wieße ihm die schönne cascade, die gallerie d’eau, so über die maßen schön ist, la salle de maronier, les berceaux, suma alles was schönnes zu Seau ist; er lobte nichts; wie er aber in den potage kam, wo der salat war, rieff er überlautt franchement la verité, voilà une belle chicorée; ich ging also auch, la belle chicorée zu sehen. … Die printzes[7] von Anspach jammert mich, denn ich weiß, wie einem bey so sachen zu muhte ist. Wenn man jemandts persuadiren will, muß man wahre sachen sagen undt keine so albere possen vorbringen alß wie die, daß der papst der antechrist sey; ein bößer christ mag er woll sein, aber kein antechrist. E. L. werden dießer princes schon woll alle scrupel benehmen. Mons. Pollier[8] hatt mich alß sehr aguerirt undt war E. L. meinung; nach der jungfer Colb da fragte ich nichts nach, meine leütte alle waren nicht scrupulos; hette ich sie behalten können, weren sie gerne alle bey mir geblieben. Es solte mir woll ahngestanden haben, nach meinem butz zu fragen, denn ich bin ja all mein leben heßlich geweßen, drumb habe ich keinen lust nehmen können, mein berenkatzenaffengesicht in spiegel zu betrachten, also kein wunder, daß ich mich nicht offt betracht habe, aber jung undt schön sein undt nicht lust haben, sich im spiegel zu sehen, wie die princes von Ahnspach, das ist waß extraordinaries … E. L. sagen nicht, ob die gräffin von Warttenberg mitt von des Königs in Preussen reiß ist oder nicht. Weill mylord Rabi[9] zu hauß geblieben, bilde ich mir ein, daß sie auch zu Berlin geblieben ist …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Oktober 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 90–91
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0550.html
Änderungsstand:
Tintenfass