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Brief vom 8. Februar 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


562.


[098]
Versaille den 8. Februari 1705.
Gestern, wie man mir E. L. zwey paquetten bracht, hatte ich woll eine hertzliche freüde, welche aber nicht lang wehrte; ich hoffte nichts alß recits von E. L. lust undt divertissementen drinnen zu finden undt wie sie ihr carnaval mitt freüden passiren mitt der schönen Königin[1], bin also recht von hertzen erschrocken, wie ich gesehen, daß E. L. undt die liebe Königin beyde kranck sein. Es seindt just kranckheitten, so ich woll kenne; ich hatte einmahl 2 geschwer im halß, that aber nichts anderst dazu alß den halß gar warmb zu halten undt mitt ein sonderlich waßer, worinen rohte roßen undt sonsten noch anders zeüch in gesotten waren, zu gurgeln. Wie sie reiff waren, brachen sie von sich selber auff undt ich speyte es auß wie ein dicker brey. Damitt wurde ich geheyllet. Vor anderthalb jahren hatt ich waß schlimmers im halß; vom fieber war mir etwaß im halß auffgefahren, welches mir ungelegenheit zum eßen machte. Mein sohn sagte zu mir, ich solte Forgeron[2] hollen laßen, der hette eine essentz, die würde mir den halß gleich couriren. Ich ließ ihn hollen; er that seine essenze auff baumwoll undt steckte mirs [099] im halß; welches mir gleich ein loch brente so groß wie der nagel von meinem daumen, woran ich lang gelitten habe; beklage also die liebe Königin von hertzen. Starcken husten kene ich auch gar woll; daß E. L. brust pfeifft, höre ich woll ungern undt setzt mich in großen sorgen, welche nicht auffhören können, biß ich vernehmen werde, daß E. L. wider gesundt sein; aber Gott weiß, wan ich dieße gutte zeittung entpfangen werde, denn die post geht nun wider sehr übel. Daß die freüllen undt cammerfrawen von der Königin heüllen, solte woll nichts bößes zu sagen haben, denn I. M. seindt ja genung beliebt, umb allein weinen zu machen, wenn man I. M. leyden sicht, aber die tendresse, so E. L. vor die Königin, Dero fraw dochter, haben, muß E. L. auch leyden machen. Gott der allmächtige verleye, daß ich mitt erster post vernehmen möge, daß E. L. wie auch die liebe Königin wider woll sein mögen. Patte[3] wirdt woll erschrocken sein, ahnstatt alles in freüden undt carnaval zu finden, E. L. undt die Königin im bett zu finden … Das ist eine rechte kunst von patte, die leütte zu brauchen wißen, wo sie gutt zu sein; das wißen wenig große herren, denn sie geben sich offt der mühe nicht, die leütte durch sich selber kennen zu lehrnen, sondern glauben nur was andere ihnen sagen, womitt sie täglich undt ahm meisten umbgehen, undt die sprechen nur vor ihre creaturen undt vernichten andere bey dem herrn, so offt beßer sein alß die, so sie vorgeschlagen … Das weib, das Hannover hatt wollen abbrennen durch den magazin von torf, muß ein absehen gehabt haben undt hatt es woll gewiß vor sich selber nicht gethan; so sachen geschehen nicht ohne interesse, es muß ihr jemandts waß versprochen haben, dieße boßheit zu thun … Mein Gott, wie kan der König in Preussen alle die ceremonien außstehen, mich marterten sie marck undt bein auß. So hoffärtig ist unßer König nicht: er ist in der großen ceremonie vom ordre du St. esprit mitt allen rittern undt ist nicht à part, auff wenigst hette der König in Preussen doch die fürsten zu sich setzen können; ich weiß nicht, wie sie es gelitten haben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Februar 1705 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 98–99
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0562.html
Änderungsstand:
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