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Brief vom 28. Juni 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


577.


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Trianon den 28. Juni 1705.
… Were mons. de Mirepoix[1] noch bey leben, würde ich gleich ein pasport vor mons. de Leibenitz gefordert haben, denn der pretendirte täglich gemeinschafft mitt den genien zu haben, verzehlte auch, daß ein genie ihn von Fontainebleau in den waldt von Senar undt wider nach hauß in 5 minutten getragen hette, undt Fontainebleau ist 8 meil von la forest de [111] Senar. Sobaldt er in die lufft kam, wurde er ohnmächtig, undt kam er wider zu sich selber im waldt, hieb mitt seinem degen einen zweych ab, hilt ihn fest in der handt undt bracht ihn nach hauß, hatte seine uhr auff der taffel liegen laßen undt woll betracht, ehe er sich weg tragen laßen; undt wie er in seiner cammer wider zu sich selber kam undt seinen zweich, so er abgehauen hatte, in der handt fundt, sahe er gleich auff seine uhr undt fandt, daß seine gantze reiß nur 5 minutten gewehrt hatte. Wenn le genie erschiene, kam es in einer schönen weibsgestalt undt stelte sich sehr verliebt von ihm ahn. Le genie n’avoit pas bon goust, denn Mirepoix war einer von den heßlichsten menschen, so man in der welt sehen mag, sahe einem hexenmeister nicht gar ungleich. Mein[em] sohn wolte er seine kunst lehren; mein sohn hatt gethan was zu thun war, gebetter, rauch, wachen, hatt aber nie nichts sehen können, helt es also vor eine große thorheit. Wenn unß made Eva mitt ihrem apfelbiß so verdorben, hette sie woll gethan, in etwaß weicheres zu beißen. Die fraw von Rotzenhaussen[2] verzehlte mir vorgestern eine schöne außlegung, so ihr in vertrawen ein lutherischer pfarherr hirüber gethan zu Strasburg; ich kans aber nicht so possirlich verzehlen wie sie, die den pfarhern gantz nachmacht, muß doch sagen was er ihr gesagt. Sie sagte, daß dißer ort in der heyligen schrifft sie ambarassirt, so andtwortete der herr Faust: Hochadeliche dame, es war kein apffel, so die Eva aße, sondern der apffel, so sie ihrem manne wieße, war nichts anderst alß ihre fordere naturé, undt die schlange nichts anderst alß das männigliche gliedt vom Adam, welches ja auff des Adams bauch schleichete, biß es nach dem apffel der Eva stiege, welche ihm erwieße, wie gutt der apfell zu eßen were, wovon er mitt zu großer lust kostete. … Des marechal de Gramont[3] sein dictum ist woll von ihm, denn ich kenne seine art von reden perfect; sein sohn[4] hatt nicht so viel verstandt, alß der vatter gehabt, undt ist boßhafft, denn er hatt in Spanien seinen möglichen fleiß gethan, den König undt die Königin mitt einander zu brouilliren. Er hatt vor seiner abreiß nach Spanien einen dollen heüraht[5] gethan, hatt eine gemeine magt geheüraht, die ein doll leben geführt undt vor keine vestale passirt, die ist nun duchesse de Gramont; man sagt, sie wirdt ihren tabouret nehmen, sobaldt der duc de Gramond wider wirdt gekommen sein; die wirdt hernach fürstinen disputiren; es ist gar zu doll hir …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Juni 1705 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 110–111
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0577.html
Änderungsstand:
Tintenfass