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Brief vom 25. März 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


597.


[129]
Versaille den 25. Mertz 1706.
… Nie ist dießer hoff serieuser gewest, alß nun; man erinert sich kaum, gelacht zu haben. Ich glaube, daß mitt der spanischen cron alle spanische gravitet herkommen ist. In particulier soll der König noch etlichmahl lustig sein, aber wie ich nicht von den außerwelten bin, so in diß particulier kommen, also sehe ich den König nicht mehr lustig, sondern allezeit in dem grosten serieux … Gott gebe, daß der schrecken vom brandt im schloße I. L. der Churprintzes[1] nicht schaden möge. Es scheindt woll, daß dieße princes nicht vor den Ertzhertzog[2] ist predestinirt geweßen, weillen sie E. L. enckel bekommen. Man meint hir, daß, wenn eine schwangere fraw beßer wirdt, nachdem sich das kindt gerührt, daß es ein sohn ist, welches ich wünsche, undt daß das teütsche undt fürstliche geblüdt sich mehr in dießem, alß seinem herr vatter mag spüren laßen undt von allem frantzöschen marquisat mag gereyniget werden undt E. L. lang trost dran erleben mögen. … Die bon[3] gibt man nicht ahn die vierge Marie, aber so macht mans: man schneydt so viel stück, alß leütte ahn taffel sein, dan bringt man den kuchen gantz zerschnitten undt man hatt ein kindt, das theilt die stücker auß; im bringen sagt man: phibé[4], das kindt antwordt: pour qui? so sagt man pour [130] le bon dieu, da zicht das kindt ein stück; hernach sagt man pour la St. vierge, so zichts wider ein stück; hernach gibts in der reye herumb ahn alle, so ahn taffel sitzen. Krigt le bon Dieu die bon, so ist der haußherr Roy, krigts la St. vierge, so ist die vornehmste dame haußkönigin. Vor dießem in Franckreich gab diß spiel den hofffreüllen einen großen vortheil; der König aber hatt es abgeschafft, aber noch zu Louis XIII. zeitten, wenn ein hofffreüllen die bon bekam undt Königin wardt, dispossirte sie von den chargen, so in den 24 stunden vacant wurden, was es auch sein möge. Daher ist das sprichwort kommen, daß die bon so groß glück bringt, undt wenn keine charge vacant war, forderte sie vom König gnaden, so er schuldig war, ihnen zu geben. Wegen aller dießer ceremonien habe ich gezweyffelt, daß die bon zu Berlin würde gezogen werden, vielleicht ist es auch nur gangen, wie man es ordinarie in Teütschlandt macht: mitt zettel ziehen. Man thut I. L. dem Churprintzen den grosten tort von der weldt, dem Churfürsten seinem herrn seine boutaden nicht zu sagen, damitt er corigirt möge werden[5] undt zu leben lehrnen, welches ihm nöhtiger, alß alles ist, denn was nutzt ihm, zu wißen was die Grichen undt Römer gethan, wenn er selber nicht alß ein fürst zu leben weiß. Das solte man solchen herrn ahm ersten lehrnen undt begreiffen machen, daß sie ihrem gantzen landt zum exempel leben müßen, derowegen mehr tugenden alß andere haben müßen. Die Churprintzes ist woll zu loben, sich so gedultig in alles zu ergeben …
Mein sohn findt, daß mons. Leibenitz ihn zu sehr lobt, ist fro, daß er content von ihm ist, findt alles was er schreibt sehr woll geschrieben. Ich habe, ob ich zwar die sach nicht begreiffe, doch alles exact durchgelesen, denn er schreibt so woll, daß es doch eine lust zu leßen ist. Meinem sohn kommen so sachen gar nicht langweillig vor, er list es mitt lust; von unités undt nichts kan ich nicht raisoniren, denn ich begreiffe nichts davon … Ich bin recht fro, daß hertzogs Max heuraht[6] zurück gangen, ich wünsche I. L. waß beßers undt nützlichers …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. März 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 129–130
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0597.html
Änderungsstand:
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