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Brief vom 2. Mai 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


599.


[131]
Versaille den 2. May 1706.
… Ich bin recht frow, daß E. L. nach Braunsweig gehen, denn ich hoffe, daß es E. L. einige verenderung geben wirdt. Wenn ich Braunsweig nene, erinere ich mich eines alten liedts, so ich in meiner jugendt habe singen hören:
Ich ritt einmahl auß Braunsweig auß.
Der schnee lag auff dem dache,
Sommerboten, edelmans blümlein schon,
Meins unglücks muß ich lachen
[1].
Aber wenn E. L. auß Braunsweig ziehen werden, wirdt nach aller aparentz kein schnee auff dem dach liegen, sondern es wirdt sommerbotzblümlein schon sein. Es ist mir lieb, daß meine pomade divine I. L. dem hertzog Anthon Ulrich woll bekommen; hirbey schicke ich noch 3 potger vor I. L. Es ist mir recht leydt, daß dießer hertzog so übel ist, er hatt mir gantz das hertz genohmen, indem I. L. sich so viel mühe vor mir geben, mir schönne bücher zu schreiben, so mir mein Teütsch erhalten; ich wünsche ihm langes leben undt gesundtheit davor …
Mich deücht, daß, wenn man wie der König in Preussen über 40 [jahr alt] ist undt nicht schön von taille, schickt sich das erschreckliche putzen nicht mehr, undt in allem kompt es den weibspersonen mehr alß den männern zu. E. L. haben groß recht, Monsieur s[eelig] hatt viel von des Königs in Preussen maniren. Von Charlottenburg werde ich nichts sagen, das gibt E. L. zu trawerige gedancken. Mich deücht, daß eine universitat-ceremonie zu wenig vor einen König ist undt daß es dem cronprintz nicht zukompt, [132] den rector magnificus zu agiren. Es gefehlt mir recht woll ahn I. L., daß sie weder butz noch ceremonien lieben: à cela je reconnois mon sang, wie man hir sagt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 131–132
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0599.html
Änderungsstand:
Tintenfass