Seitenbanner

Brief vom 15. Juli 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


609.


[139]
Versaille den 15. Julli 1706.
… Es ist mir recht leydt, daß E. L. bey deren dollen enckel allein zu Hannover geblieben sein. Es kan nicht anderst sein, der Churprintz undt die Churprintzes müßen einander müht werden, allezeit so bey einander zu stecken, das kan ohnmöglich allezeit wehren; der menschen gemühter seindt zu unbeständig darzu. Gott gebe nur, daß kein haß drauff folgen mag, wie leicht geschehen könte. Der Chronprintz von Preussen weiß beßer zu leben, alß der Churprintz, der ja weder sich selber noch andere kendt. Da sieht man doch den unterschiedt von dem puren fürstlichen geblüdt oder das, wo der maußdreck[1] untergemischt ist. Weillen der König in Preussen dießen heüraht mitt E. L. beyde enckel resolviret hatte, hetten I. M. woll die juwellen mittbringen können sowoll alß den schlüßel von der kist. Der König in Preussen hatt woll gethan, seinem herrn sohn zu verbietten, sich in keine gefahr zu geben, denn die kickers bekommen ordinari eine klage weg.
Es ist woll genereux von E. L., die hertzogin von Zell[2] zu trösten, von der sie doch so viel widerwertigkeitten außgestanden haben. Damitt werden sie den himmel verdinen, müßen aber erst lang nach hundert jahren hinein. Wolte Gott, E. L. herr sohn, der Churfürst, hette eher eine von den hannoverischen printzessinen[3] bekommen, alß die zelische[4], aber wie E. L. gar recht sagen: das verhängnuß kan man nicht endtgehen. Das ist doch eine wunderliche sache, seiner enckel heüraht nur durch einen leüffer zu erfahren; alles geht woll wunderlich nun in der welt her. Die hertzogin von Zelle hatt woll recht, von hertzen fro zu sein über die gnade, so E. L. ihr thun. Es ist schon lange jahre, daß man mir gesagt, daß die hertzogin von Zelle keine zähn mehr hatt, solte also lengst geendert sein. Sie hatt ohne zweyffel ihres herrn koche behalten, weillen sie E. L. so woll hatt zu eßen geben. [140] Der pöpel liebt die spectaclen, wundert mich also nicht, daß sie sich gesamelt haben, den pfarherrn vorbeygehen zu sehen, so falsche müntze gemacht; aber brennen ist etwaß abscheüliches, das solte mich jammern; es ist ein heßlich spectacle[5]. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Juli 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 139–140
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0609.html
Änderungsstand:
Tintenfass