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Brief vom 12. September 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


615.


[143]
Versaille den 12. Septembre 1706.
… Mein sohn hatt anders im kopff, alß conqueten zu thun bey die damens, er nehme lieber Turin ein, das er sich zu starck ahngelegen sein lest, denn umb die soldatten, so abgeschreckt sein, wider hertz zu geben, wagt er sich so erschrecklich, daß mir gantz angst undt bang dabey ist. Es ist nun 6 tag, daß ich keine zeittung von ihm gehabt habe, bin in rechten ängsten, daß ich nicht davor schlaffen kan. … Es ist gar wahr, daß unßer König noch gar woll außsicht. Er versichert noch, daß er nach Fontainebleau will; ich kan es aber nicht glauben, die duchesse de Bourgogne wirdt es nicht leyden; sie kan nicht leyden, daß der König mitt mir redt. Letztverwichenen Donnerstag nach dem nachteßen that mir der König die gnadt undt wollte mitt mir reden, die duchesse interompirte I. M., sagte blatt herauß, er solle weg gehen, sie were übel, gab mir nicht die zeit zu andtworten. Hetten vor [144] dießem mad. la dauphine oder ich dergleichen gethan, es were nicht aprobirt worden. Der König ist so von guttem humor, daß es einem recht wunder nimbt. Der duc de Bourgogne raisonirt woll auff weltliche sachen, aber nicht auff geistliche, denn er ist ein penitent von den jesuwittern, undt die lehren, daß man nie auff die religion raisoniren muß, sondern in dem fall die vernunfft gefangen nehmen; so machen es I. L. auch, seindt also weit davon, wie E. L. zu raisoniren …
Wenn mein sohn woll secondirt sein könte, würde er woll erweißen, daß er sein handtwerck [versteht], allein es ist ein schlegter ahnstalt undt ärger, alß es sich sagen lest, undt mein sohn kan das ohnmogliche nicht thun. Ich weiß nicht, wo die courier bleiben, man solte schon den 10. zeittung gehabt haben undt es ist noch nichts kommen. Ich sage E. L. woll unterthänigsten danck vor meines sohns gesundtheit undt leben zu wünschen; Gott gebe E. L. davor taußendt freüden ahn Dero herrn sohn undt enckeln … Ich bin fro, daß E. L. Dero enckel den Cronprintzen noch bey sich haben, weillen E. L. dießen enckel so lieb haben. Ich finde viel nobler, daß man sich stehlt wie der Chronprintz, alß wie der Churprintz, der immer küst; das ist bürgerlich. Es ist artig vom König in Preussen, seines sohns brautt so viel presenten gegeben zu haben. Ich hoffe, daß in dießem mont[1], da so viel winden sindt, die flotte nicht viel wirdt außrichten können. Turin ist leyder noch nicht über undt wir haben seyder 7 tagen keine zeittung auß Ittallien. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. September 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 143–144
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0615.html
Änderungsstand:
Tintenfass