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Brief vom 1. November 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


622.


[148]
Versaille den 1. November 1706.
… Es ist nichts so insolent, so nicht zu Paris gesagt undt gesungen wirdt; sie haben auch in wenig worten poßirlich gesagt, daß [149] la Feuillade undt Marcin es so übel zu Turin außgericht haben[1], wie ein epitaphe:
à Turin
git Marcin
et le baton[2] du Feuiladin
.
Umb den letzten vers recht zu verstehen, muß ich E. L. sagen, daß mons. de Chamilliart[3] ein gutter ehrlicher mann ist, er lest sich aber durch seinen dochtermann la Feuilade überteüfflen, der zwar verstandt hatt, aber doch ein nar dabey ist, auch so, daß der printz d’Elboeuf[4] ihn einmahl vor einem spiegel gantz allein fandt, da er sagte. je suis bien fait, les dames m’aiment, allons Feuilladin, Feuilladin la Feuillade, daher ist ihm der nahme von Feuilladin geblieben. Dießer la Feuillade hatte im kopff, er müste Turin einnehmen undt daß er dadurch marechal de France würde werden. Er verstehet aber den krieg durchaus nicht, hatt fehler über fehler gethan. Marcin war ein großer courtisan, so allezeit die faveur schmeichelte, drumb war er gegen mein sohn. Wie er aber sahe, daß alles so gar übel abging, ließ er sich erschießen mitt fleiß, darauff ist das kurtze epitaphe gemacht, so in gar wenig wortten viel in sich begreifft. … Die alte Maintenon ist abscheülich gehast; wie sie vor ein par mont undt wie wir zu Meudon waren nach Nostredame fuhr undt Ste Genevieve, scholten sie die alten weiber undt rieffen ihr überlautt allerhandt wüste nahmen nach. Man sagt, sie sage, alles unglück in Franckreich komme, weillen der König ihren heüraht nicht declarirt, undt daß sie starck treibt, erkendt zu werden vor Königin. Solte es wahr sein, daß, wie etliche meinen, die stinckendt madlle Choin[5] geheüraht hatt, so wirdt dießer heüraht gewiß mitt einem declarirt werden. Das wirdt einen schönnen königlichen hoff geben; es ist eben alß wenn alles närisch hir würde. Warumb das alte weib je mehr undt mehr gegen mir ist, ist, daß sie meint, daß ich sie außlachen würde undt den König verhindern, die naredey zu thun, sie vor Königin zu declariren, undt die furcht kan ich ihr nicht benehmen. Sie soll dem duc de Bourgogne versprechung [gemacht haben], part in der regirung zu haben undt daß man ihm seinen lieben ertzbischoff von Cambray[6] wider zu ihm thun [wolle]. Waß auß dießem allen werden soll, wirdt die zeit lehren. Das weib muß abscheülich viel bar gelt haben, denn eine von ihren cammerweiber hatt, wie sie gestorben, drey mahl hundert taußendt thaller nachgelaßen. Ich sehe so schlimme exempel hir, welche schimpffliche inclinationen das encanaillirte geblüdt verursachet, daß es mich recht jamert, daß unßere teütsche edelleütte dieße böße exempel folgen, aber wie die alten sungen, so pfeyffen die jungen[7]; [150] hette sich hertzog Jorg Wilhelm undt E. L. herr sohn nicht mißheüraht, hetten die edelleütte nicht dran gedacht; heütte oder morgen wirdt es allen gerewen, so noch im leben sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. November 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 148–150
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0622.html
Änderungsstand:
Tintenfass