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Brief vom 18. November 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


623.


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Versaille den 18. Novembre 1706.
… Die nonen seindt allezeit desbauchirt in Portugal geweßen. Der duc de Schomberg hatt mir verzehlt, daß, wie er mitt seinem vatter in Portugal geweßen, ging er auch in ein closter, die nonen zu besuchen; es war eine, die gar artig war, die bracht ihm colation undt batt ihn, andern tag wider zu kommen. Er kam; sie erschien en robe de chambre, wie man auß dem bett geht, undt fragte ihn, ob er allein im parloir were? Er sagte ja, da machte sie die grille auff undt ließ den nachtsrock fallen undt bliebe splitternackendt da stehen undt machte leichtfertige geberden. Das ekelte den duc de Schomberg so erschrecklich, daß er davon lieff undt sein leben nicht wider ins closter kommen ist.
Das muß E. L. doch ein trost sein, daß hertzog Max sich so beliebt ahm keyßerlichen hoff macht; sein jesuwitter[1] muß doch I. L. hauß woll gouverniren, weillen sie so magnific sein.
So lang alß ich in Franckreich bin, ist die bibel allen menschen erlaubt zu leßen[2]; die meßen undt alle officen, so man in den kirchen sagt, seindt in frantzosch übersetzt vor die, so das latein nicht verstehen. Reformirt ist man gar gewiß nicht hir; ich muß lachen, daß E. L. meinen, daß sie es allgemach werden ohne es zu wißen. Die religion ist zimblich raisonabel bey hoff undt man hört von gar keine aberglauben, aber in den clöstern seindt sie noch gar einfaltig mitt miraclen undt gespenster undt dergleichen, wo man bey hoff über lacht.
Wenn ich höre, daß sich die hertzogin von Zell in ein klein heüßgen retirirt hatt, gemandt es mich alß ahn die fraw, so eine katze geweßen undt auß ihres manns bett nach der mauß sprang … Ich wünsche, daß die printzes Elisabeth von Wolffenbüttel alß Königin in Spanien[3] von hauß auß bleiben möge, oder daß die zwey Könige mitt einander theyllen mögen undt ein gutter frieden werden. Ich habe I. L. herrn vatter[4] hir gesehen, ich will sagen printzes Elisabeth, freyllich ist er heßlich, aber noch unahngenehmer, alß heßlich. Die princessin ist vielleicht meiner meinung, nehmblich [daß] [151] Königin zu sein ein gar zu gezwungenes weßen ist, umb glücklich sein zu können, insonderheit Königin in Spanien, welche noch mehr zwang haben, alß alle andere … Ich finde recht artig, daß die gräffin Cossel[5] sich einbildt, eine vitzekönigin zu sein; es geht so wunderlich in der welt her, daß man meinen solte, alle menschen weren närisch geworden …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. November 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 150–151
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0623.html
Änderungsstand:
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