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Brief vom 10. Februar 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


628.


[153]
Versaille den 10. Februari 1707.
… Der hertzog von Zel[1] war affabler, alß I. L. der Churfürst[2]. Ich glaube woll, daß I. L. der Churfürst gutte intention haben, allein sie haben so etwaß truckenes undt ein wenig spottisch in dero maniren, welches gleich abschreckt, können doch woll dabey gerecht sein undt gütte haben vor wen sie wollen. Ich vor mein theil werde allezeit gar content von I. L. sein, wenns E. L. ursach haben zu sein, undt weillen I. L. nun so considerirt vor dero herrn vettern geworden, zu sorgen, daß I. L. gemächlich könten die stiege hinauffgetragen werden in die redoutte, so hoffe ich, daß sie auch nie nichts vor E. L. ersparen werden undt E. L. völlig content von I. L. sein werden undt ich par consequent. E. L. seindt von jederman gerespectirt undt geliebet undt wißen noch, was hoff ist, welches schir überal vergeßen wirdt; die grandeur ist Ihnen natürlich, denn Sie haben kein mischmasch in sich undt Dero hoff ist perfect woll reglirt. Hir weiß man gar nicht mehr, was hoff ist; alles ist confondirt, man weiß selber kaum, wer man ist.
[154] Gott laße E. L. viel freüde ahn dem printzen[3] erleben undt mehr alß E. L. ahn seinem herr vattern[4] haben, denn auß allen seinen maniren scheindts, daß er einen wunderlichen kopff muß haben. Ich wünsche, daß E. L. noch dießes printzens heüraht undt kinder erleben mögen, dan werden sie sagen können mon fils, dittes à vostre fils, que le fils de son fils pleure. Auff der Berlinsche seyden werden E. L. vielleicht zu endt des jahrs uhraltmutter werden, denn weillen der cronprintz undt die cronprintzes einander so lieb haben, werden I. L. auch woll baldt schwanger werden …
Ich mögte gern wißen, ob I. L. der Churprintz einen eydt geschworen, allezeit waß überzwergs[5] zu thun, denn es ist unerhört, daß er E. L. nicht selber gebetten, bey seiner gemahlin zu sein, undt wenn E. L. gleich seine großfrawmutter nicht weren, so haben sie doch so viel kinder gehabt, daß sie beßern raht hetten geben können, alß niemandts. Es hatt mich recht scandalisirt, daß er sich so mitt seiner gemahlin eingespert hatt. Dießer herr versteht die grandeur in nichts, das marquisische[6] geblüdt lest sich zu viel bey ihm fühlen; waß gibt er aber vor entschuldigung vor, die sach so überzwerg ahngefangen zu haben? Ich kan mich nicht gewehnen zu gedencken, daß I. L. der Churfürst von Braunsweig, deßen geburt undt kindtheit ich mich erinere alß wenns heütte were, jetzt großherrvatter ist. Ich bin just 8 jahr älter, alß I. L. der Churfürst, denn ich bin vom 27. May 1652 undt der Churfürst vom 28. May 1660. Ich erinere mich, daß ich alle menschen sehr in sorgen vor E. L. sahe undt ich lieff in E. L. kammer (sie kamen in der presentz in kindtbett) undt legte mich blat vor die thür, umb zu hören, was man in der kammer sagte. Kurtz hernach suchte mich die fraw von Harling undt fürte mich wo E. L. waren; hinter einem schirm baderte man den printzen, sahe überall herumb; mich deücht, ich sehe ihn noch[7].
König Augustus[8] muß sehr unbeständig in seiner lieb sein; es wundert mich aber nicht, daß er so ein frech thier wie die gräffin Cossel[9] ist [155] müde geworden. Wenn die Frantzößin, so König Augustus nun zur metres hatt, eine refugirte dame ist, wirdt es nicht gar exemplar sein, daß sie Franckreich wegen der religion quittirt undt ihren mann vor einen catholischen König. Ich glaube, König Augustus hatt das hirn von viellen sauffen ein wenig verruckt. Sein wunderlicher humor wundert mich gar nicht, denn C. A. Haxthaussen[10] hatt mir offt mitt threnen geklagt, daß er fürchte, gar keine ehr von seiner zucht zu haben, denn sein printz hette den wunderlichsten undt dollsten humor, so er sein leben gesehen, undt were dabey ein heüchler, denn er könte sich recht woll stellen undt seinen humor verbergen, welches noch ahm schlimbsten ist.
Hette man mich ins dunckel eingespert, wie der Churprintz seine gemahlin, so were ich im kindtbett gestorben; nicht allein meine fensterladen waren auff, wenn ich im kindtbett war, sondern gar meine fenster; gantz Franckreich kam zu mir undt man spilte hoca[11] in meiner cammer, aber was ist das vor eine fantasey, daß niemandts den neugebornen printzen sehen darff? ist der Churprintz aberglaubisch undt meint, daß man das kindt verhexsen könne durch das ahnsehen? ich fürcht, es seindt quinten[12]. Es ist unglücklich, von leütten zu despendiren, die nur ihre quinten undt nicht die vernunfft folgen; die Churprintzes jammert mich, denn wie der Churprintz mitt ihr lebt, muß sie seiner satt undt müde werden, alß wenn sie ihn mitt löfflen gefreßen hette, wie das sprichwordt sagt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Februar 1707 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 153–155
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0628.html
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