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Brief vom 16. April 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


631.


[157]
Versaille den 16. April 1707.
… Der König in Schweden hatt kein unrecht, den Patcoul[1] alß einen untrewen unterthan abzustraffen, allein König Augustus, dem er woll gedint, solte ihn salviren, wenn er noch eine ehrliche ader in sich hatt. Es ist leyder nicht wahr, daß der brutale fürst von Anhalt todt ist; es kan einen verdrießen, daß so manche ehrliche leütte sterben undt eine solche bestia leben bleibt; E. L. machen mich ihn recht haßen, daß er meinen armen sohn hatt umbbringen wollen. Man solte nur apotecker von seine sohne machen; von einem solchen kerl kan nichts guts kommen. Ich hoffe, dießer kahle fürst wirdt auff einem mist mitt all sein apoteckerzeüch sterben. Es freüdt [mich], daß die Octavia[2] zum endt ist; es war mir alß bang, es mögte stecken bleiben. Ich hoffe, daß mir der hertzog den schlüßel auch dabey schicken wirdt.
Ich bedawere die princes Elisabeth[3] woll von hertzen; ich kan mir gar leicht einbilden, wie es I. L. zu mudt sein muß, ich weiß, wie es einem ist, alle die frembte gesichter umb sich zu haben undt die alles was man gewondt ist, übel finden undt einen auff ihren schlag gewohnen wollen; das gibt langweillige tage undt betrübte nächte. Leütte, wo man vorhin gar [158] nichts nach gefragt hatt, wenn man die in solcher zeit sicht, hatt man sie hertzlich lieb. Nun wirdt die gutte princes nicht weit von Bamberg sein, welches ihr auch wider spanisch vorkommen wirdt. Meine meinung ist, daß, wenn man glücklich sein soll, muß man nicht in einen so hohen standt fallen, denn da ist allezeit zu viel zwang bey, wer nahe bey den seinen seines gleichen haben könte, das were viel glücklicher. Die princes Louisse[4] jammert mich, ihrer fraw dochter abreiße so schmertzlich zu entpfinden. Aber wo wirdt das beylager geschehen?
Ich bilde mir ein, daß der König in Preussen schon meditirt, waß ceremonien bey der kindttauff von seinem enckel vorgehen sollen. Die cronprintzes hatt woll einen glücklichen geburdtsstern; Gott gebe nur, daß I. L. glück dawern möge, denn größer kan es nicht sein, alß es ist. Hatt sich der Churprintz auff seine weiß artig gestelt, wie er den tittel von duc de Cambrig[5] bekommen?
Wir haben eben so schön wetter hir, alß E. L. zu Hannover. Wie ich von Paris kommen, habe ich eine musiq gehört, so ich lieber höre, alß die von der capelle, nehmblich die frösche in den lachen.
Sontag den 17. April umb 5 abendts 1707.
Wir kommen jetzt auß der kirch, wo wir seyder halb 3 sein, undt heütte morgen hatt es schon bey 3 halb stundt gewehrt. Es soll in wehrender predigt gedonnert haben; ich habe es aber nicht gehört, soll doch zwey große schlag gethan haben, aber ein süßer schlaff hatt mich verhindert, solches zu hören. Zu sehen, wie alles nun grün ist undt das wetter warm, kan man singen wie die buben auff dem berg zu Heydelberg frü[6]:
Stru, stru, stroh, der sommer der ist do,
Wir sindt nun in der fasten,
Da leren die bawren die kasten.
Wenn die bawren die kasten leren,
Woll unß Gott ein gutt jahr bescheren.
Stru, stru, stroh, der sommer der ist do
[7].
Das seindt schöne vers, wovon die vorwitzige, so unßere brieffe leßen, gar viel lehrnen undt gelehrt werden werden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. April 1707 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 157–158
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0631.html
Änderungsstand:
Tintenfass