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Brief vom 23. Juni 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


635.


[161]
Versaille den 23. Juni 1707.
… Es wundert mich gar nicht, daß der patter Vota[1] E. L. nicht hatt folgen können; er muß aber viel verstandt haben, E. L. einen gantzen tag unterhalten zu können, ohne daß sie seiner müde werden. Auff die disputpuncten werde ich nichts sagen, wie E. L. woll gedencken können, denn sie wißen meine religion; von verdammen hatt man mir nichts sagen dürfen, denn ich hatte in mein accord, daß man mir hirvon nie sprechen solte; was ich versprochen halt ich redtlich, wie ich es versprochen habe.
Madame d’Orleans[2] ist noch nicht über made de Montespan getröst[3], weindt noch alle tag; made la duchesse[4] hatt ihre parthie gefast, wie ich auß dem medianosch[5] judiciren kan, so sie über meiner cammer zu Trianon gehalten, da ich sie in meinem bett habe lachen hören. Keine eintzig von dießen damen, ich will sagen made de Montespan kinder, wirdt über sie trawern, alß monsieur Dantin[6] undt seine kinder, der ihr ehelicher sohn ist; die andern müßen thun alß wenn made de Montespan ihre mutter nicht were, denn nach den rechten vom landt hir müsten alle des Königs kinder vor mons. de Montespan kinder passiren; drumb auch, wie Montespan auff den todt lag undt seine fraw ihm offriren ließ, zu ihm zu kommen undt ihm in seiner kranckheit zu wartten, andtwortte er, sie solte kommen, aber alle ihre kinder mittbringen; wenn sie eines zurückließe, wolte er sie nicht sehen. In den legitimationsbrieffen ist die mutter nicht genent, soll also nicht vor dießer kinder mutter passiren; drumb trawern sie nicht vor sie; sie haben sie auch nie maman geheyßen, sondern nur ma belle dame. Es ist wahr, daß dieße dame zuletzt sehr devot geworden; waß sie aber gar woll gethan, ist, daß sie ihr gelt gar woll ahngelegt ahn lautter allmoßen, sie hatt viel arme gekleydt, krancke heyllen laßen, so keine hülff hatten, arme adtliche freüllen heürahten machen undt sie außgesteüert; man kan nicht mehr charitet thun alß sie gethan hatt. Sie soll auch eine große reüe über ihr [162] vergangen leben gehabt haben; ich weiß leütte, so sie etlich mahl gefunden, daß sie mitt threnen auff dem boden gelegen undt geruffen: mon Dieu ayés pitié de moy, je suis la plus grande pecheresse du monde. Wie sie aber starb, war sie wie in letargie undt wuste von nichts mehr; welches ein groß glück vor sie war, denn kein mensch in der welt hatt den todt mehr gefürcht alß sie, sie were verzweyffelt, wenn sie gewust hette, daß sie sterben müste. Wie kam es, daß man patte[7] auff dem kackstuhl communicirte? Mich [deücht] daß das nicht respectueux vor unßern Herrgott ist …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Juni 1707 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 161–162
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0635.html
Änderungsstand:
Tintenfass