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Brief vom 21. Juli 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


639.


[164]
Marly den 21. Julli 1707 umb 5 morgendts.
Da sitze ich im hembt undt schreib E. L.; in dießer stundt kan man nicht fürchten, daß einen die visitten überfahlen. Die hitze ist hir so groß, daß die allerällsten nicht sagen können, daß sie dergleichen [erlebt]; man hört von nichts alß von hundt undt pferdt, so todt niederfahlen, undt die arbeydtsleütte werden ohnmächtig undt verschmachten schir im feldt, die jager werden auch ohnmachtig undt fallen dahin wie mucken. Gestern war ein jeder in seiner cammer im hembt biß umb 7 abendts; man muß alle augenblick von hembder endern, in einem tag habe ich 8 hembder geendert, sie waren alß wenn man einen ins waßer getaugt hette. Ahn taffel thut man nichts alß wischen; es ist gar zu arg. Solte es warmer in Spanien sein, muß mein sohn mitt seiner armée verschmeltzen undt verschmachten. Man hort auch überal nichts alß von krancken. Sonsten haben wir gantz undt gar nichts neües …
Ich finde auch, daß die zeit gar geschwint vorbeygeht; gedult ist meine gröste kunst. Was E. L. sagen, wie alles endert in der welt, erinert mich ahn ein alt liedt, so ich die Stubenvoll[1] offt habe singen hören, so so lautt:
Wexlen ist in allen sachen,
Trawern folgt auff frölligkeit,
Schlaffen auff ein langes wachen,
Auff die liebe haß undt neydt.
Liebe du in deinem sinn,
Ich lieb ein andre schäfferin
.
E. L. sagen nichts mehr von der Stubenvoll; ist sie nicht mehr an E. L. hoff? …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Juli 1707 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 164
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0639.html
Änderungsstand:
Tintenfass