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Brief vom 29. November 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


674.


[193]
Marly den 29. November 1708.
… Ehe wir auff die jagt [gingen], ist ein cammerknecht mitt der gutten zeittung ahnkommen, daß mein sohn durch den chevalier de Hasfelt[1] die statt undt das schloß Denia[2] einbekommen; die unterstatt haben sie mitt sturm, den degen in der faust erobert, undt wie sie den 16. das schloß undt die oberstatt stürmen wollen, haben sie sich à discretion ergeben undt seindt alle kriegsgefangene geworden; es waren 950 mann in dem schloß, Englander, frantzosche deserteurs undt Portugissen … Madlle Scudery[3] war viel älter, [194] alß herr Leibnitz, denn sie hatt über 90 jahr gelebt; ich habe sie offt [gesehen], sie hatte ein groß lang gesicht alß wenns von holtz geschnitten were. Sie war gar ernstlich undt taub wie ein topff, aber wenn man sie reden machte, sahe man doch woll, daß sie viel verstandt hatte. Aber man konte nichts heßlichers erdencken alß ihr amant Pelisson[4] war; er war kurtz, [hatte] breytte axellen, gantz viereckt, den kopff zwischen den schuldern, pechschwartze haar, ein vierecket glatt gesicht voller näht von kinderblattermähler, so gelb waren, ein großen mundt von einem ohr zum andern, dicke leffzen wie ein mohr, das maul immer offen, viel zahnlucken undt die zähn, so noch im maul waren, schwartz wie kohlen; die naß war breydt undt recht auffgeschürtzt wie die bolonesische hündtger; er hatte große weitte schwartze augen mitt rodt bordirt undt voller chassie undt weißen eytter, undt in den ecken von dem mundt immer geyffer; aber viel verstandt, undt wenn man ihn reden hörte, gewohnte man sich ahn seine heßlichkeit undt [er] kam einem nicht mehr so choquant vor. Hirauß können E. L. woll leicht urtheyllen, daß madlle Scudery mons. de Leibnitz schön wie ein enckel[5] würde gefunden haben. In viellen ortten der heyl. schriefft stehet, daß man den leib casteyen soll, alt undt neü testament ist voll davon, ich meine aber, daß es genung ist, das übel mitt gedult zu tragen, so unß von Gottes handt herkompt, alß sich selber zu peinigen; la Trappe[6] habe ich nie leyden können; was konten so manche arme leütte davor, daß der abbé de Rançay[7] seine metres, made de Monbasson[8], verlohren undt verzweyffelt war? denn das hatt ihn la Trappe erdencken machen undt sonst nichts, undt das finde ich gar nicht devot. Aber apropo ich vergeße, daß ich meinem beichtsvatter habe versprechen müßen, nicht mehr hirvon zu sprechen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. November 1708 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 193–194
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0674.html
Änderungsstand:
Tintenfass