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Brief vom 6. Dezember 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


675.


[194]
Versaille den 6. December 1708.
… Vor 4 oder 5 wochen habe ich 9 große bücher gekaufft, wo alle stätte von gantz Teütschlandt sein, recht schön gestochen von Merian[1]. Da seindt die schönnen heüßer undt gärtten, so bey Wien sein, in; ich habe mich [195] gantzen abendt gestern mitt amusirt. In einem tome ist auch Hannover; da betracht ich offt meine fenster, denn es ist just auff deren seytte genohmen undt wie es zu meiner zeit geweßen; das betrachte ich nicht, ohne fleißig undt mitt respect undt danckbarkeit ahn mein hertzlieb ma tante zu gedencken.
Das kan ich nicht leyden, daß der König in Preüssen einen edelman undt eine cammerdiners geweßene wittib vor rechte fürsten undt fürstinen will gehen machen[2]; da thut der König sich selber tort mitt undt wirdt sich, wie es in dem fall billig ist, sehr verhast machen. Ein brautschlep tragen ist etwaß anderst undt kan woll hingehen, denn den breütten thut man ja allezeit die gröste ehr ahn: hir, wenn sich eine printzessin heüraht, tragen ihr die negsten verwanten den schlep. Das were die ridiculste sach von der welt, wenn der König in Preüssen seine verwanten hinter seine domestiquen solte gehen machen, die gantze welt würde ihn außlachen.
Ich werde soeben mitt E. L. gnädig schreiben vom 26. November erfrewet, sambt ein brieff vom König in Preüssen undt vers auff die braudt, wie auch succinte relation vom einzug: sage vor alles gehorsamen danck. Aber ich fürchte, daß der einzug mitt lautter hörner, alß posthörner, jagthörner, ein schlim ohmen seye: was mitt hörner im ehestandt ahnfengt, kan woll mitt hörner enden. Den brieff vom König in Preüssen finde ich sehr höfflich, aber in meinem sinn hette er nicht wider heürahten sollen; es ist, unter unß geredt, eine rechte naredey, im 51. jahr verliebt sein undt sich heürahten zu wollen, ohne vorher zu examiniren, ob nichts gegen der person zu sagen ist, so er lust zu nehmen hatt. Es ist recht ridicul, daß der König in Preüssen die insolentz von graff von Warttenberg leyden: printzen von des Königs eygen hauß undt seiner leiblichen niepce den rang zu disputiren; das meritirte straff undt gefängnuß; undt der König in Denemarck solte das nicht leyden, daß die fürstin von Holstein-Beck seinem gantzen hauß so einen affront ahnthut; ihren rechtmäßigen rang zu verkauffen[3]. Umb [196] nicht so viel arme fürsten zu machen, das zu erbarmen ist, solte man wehren, daß die cadetten sich nicht eher heürahten solten, biß die ersten sterben …
Mons. de Coraquin hatt die capitulation von der citadelle von Lisle[4] gebracht. Printz Eugenius hatt sich surpassirt in hofflichkeit; das muß er ahm keyßerlichen hoff gelehrnt haben, denn wie er hir war, war ers nicht so sehr …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Dezember 1708 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 194–196
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0675.html
Änderungsstand:
Tintenfass