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Brief vom 30. April 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


690.


[208]
Versaille den 30. April 1709.
Weillen des printzen von Wolfenbuttel cammerdiner biß Freytag wider weg wirdt, alß werde ich durch ihn wider auff E. L. gnädig schreiben andtworten; will hir ein wenig teütscher reden alß durch die postbrieff, weillen dießer mensch es E. L. woll in eygene hände geben wirdt, werde derowegen sagen, daß ich nun gar ruhig lebe, ob zwar die alte zot ihren möglichen fleiß thut, mich zu plagen undt verachten zu machen. Aber ich laße sie in allen gewehren undt thue alß wenn ichs nicht merckte. Ich amusire mich den gantzen tag mitt schreiben, mitt meinen medaillen, gegrabenen steinen, kupfferstücken undt dergleichen; ist es schön wetter, gehe oder fahre ich spatziren; thue alß wenn ich die einsambkeit liebte, denn wolte ich leütte haben, würden doch keine zu mir kommen, weillen man woll weiß, daß die dame mich nicht leyden kan. Spillen liebe ich nicht undt könte es auch nicht außstehen: niemandts will klein spiel spiellen undt große spiel kommen meinem beüttel zu hoch. Ich lebe ein wenig wie man vom limbe[1] spricht: ohne freüdt undt ohne leydt; meine gröste freüde seindt E. L. gnädige schreiben, die leße ich [209] offtmahl über. Mein sohn ist von gutter geselschafft, ich habe aber gar kein trost von ihm, in 14 tagen sehe ich ihn nicht eine halbe stundt, ist zu sehr in dem luderleben zu Paris verpicht, daß man ihn nirgendts viel sicht. Ich lebe woll mitt seiner gemahlin undt sie mitt mir, allein es ist so gar keine simpathie unter unß beyden, können einander also gar nicht geselschafft halten. Der König darff mich nicht umb sich leyden; ich sehe I. M. nirgendts alß ahn taffel undt nach dem eßen ein augenblick in sein cammer. Etlichmahl fragt er mich, ob ich spatziren geweßen undt wo; damitt ist es gethan, will ich weitter waß sagen, macht er eine reverentz undt threhet mir den rücken. Das alte weib muß einen ahnschlag haben, den ich nicht begreiffen kan, denn wir wißen gar gewiß, daß sie 40 millionen bar gelt hatt. Man hatt mich noch mehr von dem dauphin haßen machen undt von dem duc de Bery, den ich wie mein kindt geliebt habe. Im ahnfang hatt mich dießes alles sehr geschmertzt, aber nun habe ichs gottlob überstanden undt frag kein haar mehr darnach. Ich habe den ort in Procope[2] geleßen, den E. L. cittiren, aber es war doch noch ein großer unterschiedt, denn Justinianus war nichts rechts undt dießer unßer König ist ja gar hoch gebohren, solte sich also nicht verquackelt haben, noch sein sohn, so es anderst wahr ist, daß er die stinckende Choin[3] geheüraht hatt. Das weib ist erschrecklich boßhafft, ich meine die alte; kein mensch bey hoff zweyffelt, daß sie nicht den Louvois undt Mansard vergiefft hatt, den ersten, weillen er dem König gerahten hatte, eine reiß ohne sie zu thun, undt den zweyten, weillen er dem König rahten wollte, die posten banquiers zu geben, so davor die billets de monaye liquidirt hetten, welches ein großer vortheil vor das gantze Königreich geweßen were. Es ist dieße böße zot, so alle meine brieff auffmacht, sie so übel vertrehet undt mich mitt zercht[4]; sie ist capabel von alles in der welt undt stelt sich doch ahn, alß wenn sie gar gotsfürchtig were. Der König fürcht den teüffel erschrecklich, ist ingnorant in der religion undt glaubt nichts alß was das weib ihn weiß macht, denn er list sein leben nichts, gibt der dame undt den ministern undt beichtsvatter alles zu leßen undt lest sich von ihnen vortragen was drinen stehet. Es stehet also bey ihnen, alles zu sagen, was sie wollen, können also leicht schaden, wenn sie wollen. Es ist woll sicher, daß das weib weder Gott noch teüffel glaubt, sonsten würde sie nicht so boßhafftig sein, allen menschen übels zu thun undt die leütte zu vergifften. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. April 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 208–209
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0690.html
Änderungsstand:
Tintenfass