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Versaille den 30. April 1709.
Weillen des printzen von Wolfenbuttel cammerdiner biß Freytag
wider weg wirdt, alß werde ich durch ihn wider auff E. L. gnädig schreiben
andtworten; will hir ein wenig teütscher reden alß durch die postbrieff, weillen
dießer mensch es E. L. woll in eygene hände geben wirdt, werde derowegen
sagen, daß ich nun gar ruhig lebe, ob zwar die alte zot ihren möglichen
fleiß thut, mich zu plagen undt verachten zu machen. Aber ich laße sie in
allen gewehren undt thue alß wenn ichs nicht merckte. Ich amusire mich
den gantzen tag mitt schreiben, mitt meinen medaillen, gegrabenen steinen,
kupfferstücken undt dergleichen; ist es schön wetter, gehe oder fahre ich spatziren;
thue alß wenn ich die einsambkeit liebte, denn wolte ich leütte haben, würden
doch keine zu mir kommen, weillen man woll weiß, daß die dame mich nicht
leyden kan. Spillen liebe ich nicht undt könte es auch nicht außstehen:
niemandts will klein spiel spiellen undt große spiel kommen meinem beüttel zu
hoch. Ich lebe ein wenig wie man vom limbe
[1] spricht: ohne freüdt undt
ohne leydt; meine gröste freüde seindt E. L. gnädige schreiben, die leße ich
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offtmahl über. Mein sohn ist von gutter geselschafft, ich habe aber gar kein
trost von ihm, in 14 tagen sehe ich ihn nicht eine halbe stundt, ist zu sehr
in dem luderleben zu Paris verpicht, daß man ihn nirgendts viel sicht. Ich
lebe woll mitt seiner gemahlin undt sie mitt mir, allein es ist so gar keine
simpathie unter unß beyden, können einander also gar nicht geselschafft halten.
Der König darff mich nicht umb sich leyden; ich sehe I. M. nirgendts alß
ahn taffel undt nach dem eßen ein augenblick in sein cammer. Etlichmahl
fragt er mich, ob ich spatziren geweßen undt wo; damitt ist es gethan, will
ich weitter waß sagen, macht er eine reverentz undt threhet mir den rücken.
Das alte weib muß einen ahnschlag haben, den ich nicht begreiffen kan, denn
wir wißen gar gewiß, daß sie 40 millionen bar gelt hatt. Man hatt mich
noch mehr von dem dauphin haßen machen undt von dem duc de Bery,
den ich wie mein kindt geliebt habe. Im ahnfang hatt mich dießes alles
sehr geschmertzt, aber nun habe ichs gottlob überstanden undt frag kein haar
mehr darnach. Ich habe den ort in Procope
[2] geleßen, den E. L. cittiren,
aber es war doch noch ein großer unterschiedt, denn Justinianus war nichts
rechts undt dießer unßer König ist ja gar hoch gebohren, solte sich also nicht
verquackelt haben, noch sein sohn, so es anderst wahr ist, daß er die stinckende
Choin
[3] geheüraht hatt. Das weib ist erschrecklich boßhafft, ich meine die
alte; kein mensch bey hoff zweyffelt, daß sie nicht den Louvois undt Mansard
vergiefft hatt, den ersten, weillen er dem König gerahten hatte, eine reiß ohne
sie zu thun, undt den zweyten, weillen er dem König rahten wollte, die
posten banquiers zu geben, so davor die billets de monaye liquidirt hetten,
welches ein großer vortheil vor das gantze Königreich geweßen were. Es
ist dieße böße zot, so alle meine brieff auffmacht, sie so übel vertrehet undt
mich mitt zercht
[4]; sie ist capabel von alles in der welt undt stelt sich doch
ahn, alß wenn sie gar gotsfürchtig were. Der König fürcht den teüffel
erschrecklich, ist ingnorant in der religion undt glaubt nichts alß was das
weib ihn weiß macht, denn er list sein leben nichts, gibt der dame undt den
ministern undt beichtsvatter alles zu leßen undt lest sich von ihnen
vortragen was drinen stehet. Es stehet also bey ihnen, alles zu sagen, was
sie wollen, können also leicht schaden, wenn sie wollen. Es ist woll sicher,
daß das weib weder Gott noch teüffel glaubt, sonsten würde sie nicht
so boßhafftig sein, allen menschen übels zu thun undt die leütte zu
vergifften. …