Seitenbanner

Brief vom 2. Mai 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


691.


[210]
Marly den 2. May 1709.
… Die Königin Anne hatt woll groß recht, keinen andern herrn zu verlangen. Wie ich den verstorbenen beschreiben hören, hatt dieße Königin, was die conversation undt societet ahnlangt, wenig ahn printz Görgen verlohren. Eine dunckele cammer soll gar ungesundt sein; die Königin ist vielleicht nicht allezeit drinen. Wie man hir vom duc de Malbouroue[1] spricht, glaube [ich], daß er undt printz Eugene eher in Hollandt kommen, den frieden zu wehren, alß ihn zu befördern; auch fengt man ahn zu sagen, daß kein frieden wirdt, welches mir woll hertzlich leydt solte sein, denn ich wünsche den frieden undt bin des kriegs recht müde. Ich gestehe, daß von allen gebettern mir die littanien ahm widerlichsten sein, denn hundert mahl ora pro nobis zu hören, ist gar nicht außzustehen. Von dem papst hatt man in Franckreich nie groß werck gemacht, man helt ihn gar nicht vor infalible, die Sorbonne hatt dargegen geschrieben. Weren alle beichtsvätter wie die zwey ersten, so ich gehabt habe[2], würden alle aberglauben baldt abgeschafft werden; es müßen aber mehr derer sein, so ich nun habe[3], welcher einen glauben hatt wie eine alte none undt alles was übe[l]s in dießer religion ist admirirt; aber damitt persuadirt er mich nichts. Er beklagt sich auch sehr, daß ich keinen docilen geist habe; ich sage aber, daß man mich nicht persuadiren kan was ich beßer weiß. Er will auch nicht gestehen, daß die gemeine leütte anderst glauben, alß die gelehrten, welches ich doch mitt meinen augen sehe. Wir haben also manchen streit, bleiben doch endtlich gutt freündt, denn außer der religion ist er der beste undt ehrlichste mann von der welt, hatt auch verstandt undt ein gutt gemühte. Ich kan nicht begreiffen, wie er mitt allen seinen gutten verstandt undt vernunfft in dieße einfalt gerahten, er muß übel erzogen worden sein, denn er glaubt alles: geister, gespenst, hecksen undt was dergleichen mehr sein mag, wo ich ihn sehr mitt vexir undt plag; er verstehet raillerie undt wirdt nicht leicht böß. Das macht mich offt glauben, daß er sich nur ahnstelt alß wenn er alles mugliches glaubt, umb mirs weiß zu machen, daß er es aber selber nicht glaubt.
Ich weiß so woll, daß der Keyßer nichts über die reichsfürsten vermag, daß ich es taglich hir gegen die Frantzoßen bestreytte, aber ich habe gedacht, daß, weillen der Keyßer sich in die wirttenbergische händel mischen will undt die zwey fürsten gebetten, die sach suchen gutt zu machen undt die eheleütte[4] zu vereinigen, undt man woll weiß, daß niemandt ahn allem dem unheyl schuldt ist alß der fürst von Hohensoldern[5], meinte ich, der Keyßer [211] könte ihm woll sagen laßen, daß, weillen er sich in dieße sache mischt undt fürsten gebetten hatt, die sach zu schlichten, daß ers ihm undanck würde wißen, wofern er fortfahren solte, dieße uneinigkeit zu stifften, könte ihm auch woll, da er ins Keyßers kriegs[dienst] ist, ordre geben, den hertzog von Wirttenberg zu verlaßen …
Ich kene den König in Denemarck[6] gar woll, habe I. M. offt hir gesehen. Er wolte verliebt von meiner dochter sein; es ging aber so her, daß wir unß baldt kranck drüber lachten; ich weiß gewiß, es würde E. L. divertirt haben, wenn sie es gesehen hetten: er ging nahe bey sie, sahe sie ahn, hernach in die lufft undt sagte kein wordt undt blieb so stehen. Das solte, wie ich glaube, verzuckt heyßen. Er dantzt gern, hatt aber kein oreille undt dantzt bitter übel, hüpfft den menuet wunderlich herumb schir wie le Flamand in Lastré[7] soupé des auberges, setzt seinen hudt zu weit zurück, fengt den menuet ahn ein endt von der cammer ahn undt endet ihn ahm andern. Man kans nicht so poßirlich beschreiben, alß er es macht; man kan dießen König ohnmöglich ohne lachen tantzen sehen, wenn einer schon recht betrübt were. Apropo von lachen: biß Sambstag werde ich wider eine dame ahnstechen kommen sehen, welche alß von hertzen lacht, nehmblich die fraw von Rathsamshaussen[8]; ich hoffe, sie wirdt mir neüe histörger bringen, E. L. zu verzehlen, denn hir hört man nichts alß von betrübte sachen, wie das brodt alle tag tewrer wirdt, wie leütte hungers sterben undt dergleichen …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 210–211
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0691.html
Änderungsstand:
Tintenfass