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Brief vom 7. Juli 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


699.


[218]
Versaille den 7. Julli 1709.
… Ein groß zeichen, daß der friedt gebrochen, ist die belagerung von Tournay[1], so man, wo mir recht ist, auff teütsch Dornick heist. Gott [219] wolle den cronprintz von Preüssen gnädig bewahren, daß ihm in den lauffgräben kein unglück geschehe. Mich deücht, es were raisonabel geweßen, daß man unßerm König Philip, umb frieden zu machen, gelaßen hette was er mitt recht hatt, undt daß man dem König Carl Naple, Sicilien undt Milan geben hette mitt alle inseln, Corse undt Sardaigne, so were er ja auch ein großer Konig geweßen, aber einen großvatter zwingen zu wollen, nicht allein seinen enckel, so sein leben nichts gegen ihn gethan, zu verlaßen, sondern auch ihn mitt seinen eigenen troupen zu verfolgen undt vom thron zu stoßen, kompt mir so cruel undt barbarisch vor, daß ich nicht begreiffen kan, wie es von christen hatt können erdacht werden …
Es ist woll ein ellendt, daß wir arme menschen, so wenig zu leben haben, doch so manchen kranckheiten unterworffen sein, were woll zu wünschen, daß man die wenige zeit ohne krancksein zubringen könte. Ich fürchte alß der Amelisse[2] waßersucht wirdt ein schlim endt nehmen; wie mir Louisse ihre kranckheit beschreibt, finde ich wenig zu hoffen, es ist mir recht leydt.
Ich meint, man leydt die pietisten nicht mehr in Teütschlandt, wie lest man denn den Franck[3] schullen halten?
Mein sohn hatt all sein golten geschir undt ein theil von seinem silber, aber nicht alles, geben. Mein sohn hatt viel in seine campagnen verthan, das ist gewiß, wenn mans ihm nur noch danck wüste. Ich muß E. L. auch verzehlen, wie meine vorgesterige promenade abgeloffen. Mons. le dauphin hatt mich recht höfflich ahn seiner haußthür entpfangen, welches recht schön ist, sein neü hauß kan vor ein palais passiren; die architecture ist recht schön von weißen quadersteinen, in der mitten ist ein portique mitt 4 großen seüllen undt 3 ouverturen. Mons. le dauphin hatt dar eine salle des gardes, eine zimblich große antichambre, so mitt den tapetten von der gallerie von St. Clou meublirt sein. Darnach ist ein gar zu klein cammergen, wo das bett stehet, das ist mitt den kleinen crotesquen von Raphael meublirt; hernach ist ein schön groß cabinet boessé[4] (ich glaub, das heist getäffelt auff teütsch), hellbraun mitt viel vergülts undt viel spiegel. Darnach ist eine kleine gallerie, auch so getäffelt, mitt lautter marmeltaffel, die keinen platz nehmen, denn sie haben keine füß, breitte consolen gehen auß mauer, die halten sie fest; 6 schönne gemähls von Poussin[5] seindt über die thüren undt camin undt zwey von Carach[6], recht schön. Es seindt 3 balcons vor dem palais, da sicht man das alte schloß, ein schön groß parterre vieller schöne blumen; unter dießem seindt 2 orangerien undt über den parterren sicht man gantz Paris mitt allen umligenden dörffern; man kan keine schönere außsicht in der welt sehen. Hinter der gallerie hatt mons. le dauphin noch 3 kleine cabineter undt garderoben; oben, unten undt in der mitten seindt [220] coridors wie in einem closter, da seindt 35 apartementer, cammercabinet undt garderobe mitt degagement undt 3 stigen, eine große schöne helle stige mitt grün undt goltenen lehnen, die andern 2 seindt stigen nur vor die bedinten. Die capelle ist gantz oben im hauß; weillen niemandts auff die capellen logiren darff, hatt man es unter das garde meuble gesetzt. Nachdem wir das gantze neüe schloß besehen, fürdt unß mons. le dauphin in caleschen spatziren biß umb halb 8. Sein gartten ist gar schön undt groß undt viel schatten, undt alles gantz different; er hatt auch schöne fontainen von allerhandt art, summa: es ist ein schöner ort; mons. le dauphin führt ein glückseeliges leben dort; niemandts zwingt sich vor ihn undt er sich auch vor niemandts …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Juli 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 218–220
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0699.html
Änderungsstand:
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