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Brief vom 12. April 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


724.


[245]
Versaille den 12. Aprill 1710.
… Vor die copie von des hertzogs von Braunsweig brieff sage ich gehorsamen danck; mich deücht, I. L. seindt ein wenig piquirt, daß man seine bekehrung vor eine thorheit helt. Ich kan noch nicht begreiffen, waß vor ein absehen es haben kan, undt ich kan auch nicht glauben, daß der bloße eiffer von der religion dießen herrn catholisch gemacht; er ist kein kindt, solte lengst wißen, was alle religionen seindt, undt weillen er seine religion 70 jahr vor gutt gehalten, kan ich nicht begreiffen, was I. L. hernach hatt zweyfflen machen … Die lieder, so der hertzog gemacht[1], wirdt er nur in seiner cammer singen können, aber nicht in der kirch, er mache es dan wie zu Strasburg, da singt man lutherische lieder in den catholischen kirchen. Warumb aber ists E. L. umb hertzog Anthon Ulrich so leydt, Sie können ja selber die leütte so schön bekehren … Wenig leütte wißen, daß es eine rechte gnade vom König war, der comtesse de Soissons[2] rahten zu laßen, durchzugehen, denn es seye, daß sie unschuldig war, wie ich es allezeit geglaubt, oder daß sie in der that schuldig war; allein es ist gewiß, daß mad. de Montespan undt Louvois zeügen hatten, so, wo sie geblieben were, ihr den kopff vor die füße hetten schlagen machen, denn sie wolten affirmiren, daß sie ihren herrn vergifft hette. Also sehen E. L. woll, daß in dießem fall printz Eugenius unrecht hatt, sich über den König zu beschwehren; zudem so hatt der König mad. la comtesse, so lang sie in Franckreich geweßen, sehr viel geben, die geringste presenten waren 3000 pistollen, offt 4 undt 5 taußendt; dazu hatt er auch dem comte de Soisson[3], ihrem sohn undt printz Eugene herrn bruder, viel genade gethan undt mitt seiner gantzen famillie erhalten; also wenn printz Eugene rechte reflectionen wolte machen, würde er woll sehen, daß er undanckbar ist.
Was schlim ahn dem mons. Dugué[4] ist, so vor die dauben arbeydt, ist, daß seine invention nicht allemahl geräht; ich hoffe aber, er wirdt waß guts vor I. L. den hertzog von Braunsweig machen. Dießer hatt es nun mehr alß nie von nöhten, waß zu haben, so heimblich reden hören macht, sonsten würde man seine beicht hören können, wenn der beichtsvatter undt er zu lautt sprächen. Ich weiß nicht, worumb man so gegen den gutten alten herrn erbittert ist undt ihn außlachen will. In Teütschlandt, da die drey christliche religionen alle freyheit haben, solte man ja ein jedes sein laßen waß es will undt gutt findt, denn findt man es übel, bleibt es keine freyheit mehr. Er arbeydt langsam ahm neüen roman; ich weiß ihm aber recht [246] danck, daß I. L. den roman nicht par la qeue mitt der hertzogin von Zelle[5] ahnfangen, das wer eine rechte naredey geweßen, wenn er das gethan hette. Seine romans seindt gar nicht alber, sondern woll geschrieben undt perfect schön undt gutt teütsch … Mich deücht, ob zwar bey den lutherischen die angen[6] nicht so nöhtig sein alß bey den catholischen wegen der stiffter, so ist es doch ahngenehmer, keine gemeine leütte zu nahen verwanten zu haben. Ich fühle, daß meine angen gutt sein, denn ich kan mich ahn die mißheüraht nicht gewohnen, habe noch ein alt teütsch hertz, weiß also hertzog Anthon Ulrich recht danck, die hertzogin von Zelle abgeschlagen zu haben; aber er muß doch ein wenig lust dazu gehabt haben; das were gar zu wunderlich geweßen.
Ich wünsche E. L. alles vergnügen von der weldt, aber ich kan sie nicht Königin in Engellandt wünschen; die lufft ist zu schlim zu Londen undt die leütte zu wunderlich, umb es wünschen zu können …
Hatt der hertzog von Braunsweig keine hoffcapel, wo er kan die meß leßen laßen, daß er eine neüe kirch in der statt will bawen laßen[7]? Er darff nur den jesuwittern die sach befehlen, sie werden baldt ein schön gebaü auffrichten. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. April 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 245–246
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0724.html
Änderungsstand:
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