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Brief vom 14. Dezember 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


742.


[260]
Versaille den 14. December 1710.
… Abends ahm nachteßen hatt unß die duchesse de Bery[1] einen großen schrecken eingejagt. Wie man au fruit war, sprach der duc de Bery von einem jungen menschen, so la Roche heist undt in der menagerie ist; vorgestern war er noch au levé du Roy, ging aber gleich wider nach hauß; wie er ahnkam, bekam er den schlag. Der duc de Bourgogne undt Bery, bey welchen ich saß, hatten kaum außgeredt, so höre ich ahm andern endt von taffel die duchesse de Bourgogne a mon Dieu ruffen; wie ich mich umbsehe, [sehe] ich die duchesse de Bery wie todt auff meinen sohn fallen. Ich meinte, es were ein schlag; man schüttet ihr gleich eßig ins gesicht, da kame sie wider zu sich selber undt stundt von taffel auff; sie war aber noch nicht in der gallerie, da kotzte sie wie ein jet d’eau. Das nimbt mich aber gar kein wunder, denn sie frist den gantzen tag, undt allerhandt wüstereyen, confituren, käßen, salat allerhandt durch einander. Ich habe sie gewarndt, daß sie sich den magen gantz verderben wirdt, allein sie will mich nicht glauben; wenn sie jungfer Cathrin[2] hatt, frist sie ebenso doll alß vorhin undt löffel voll eßig; zu dem so will sie eine schöne taille haben; schnürt sich eng ein; das alles macht den magen leyden, also kein wunder, wenn sie sich übel befindt. Alle junge leütte meinen nun, daß nichts artigers, alß alles zu thun, so gegen die gerade vernunfft laufft; ich kan das maul nicht halten, ich sage meiner enckelin meine meinung dicht, aber das hilfft nichts, drumb schweig ich auch still undt dencke ahn mein alt schreibbuch, worinnen stehet:
Was nicht zu endern stehet
Laß gehen wie es gehet
.
Heütte ist die duchesse de Bery wider woll. …
Dem armen König in Schweden[3] kommen unglück über unglück, denn er hatt keine bleibende stätte, wie Cain, kan ja nicht nach Stockholm, weillen die pest dort ist; wo wirdt er aber hin? Er jammert mich von hertzen, aber er hette auch nicht sollen so gar rachgirig sein. Ist es nicht die abtißin von Gandelsheim[4], die etlich mahl extravagirt[5]? Wenns die ist, deücht mir, daß hertzog Anthon Ulrich ursach haben würde, sich zu trösten, wenn sie sterben solte …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Dezember 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 260
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0742.html
Änderungsstand:
Tintenfass