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Brief vom 10. Juni 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


760.


[277]
Marly den 10. Juni 1711.
… Ob ich zwar in den letzten zeitten keine ursach gehabt habe, von mons. le dauphin woll zufrieden zu sein, so jammert mich doch sein todt undt ich kan nicht leyden, daß man so gar ehrvergeßen gegen seine landtherrn ist, todte undt lebendige zugleich [zu] attaquiren; solche leütte mögte ich von hertzen gern straffen sehen, insonderheit die, so diß letzte epitaphe gemacht haben:
Cy gist Louis de Meudon,
Le sot peuple s’en desespère.
Voulés vous savoir la raison:
Ils craignent le fils et haïssent le père
.
Man lest solche leütte gar zu ungestrafft hir …
Ich bin fro, daß der gutte hertzog von Wolffenbüttel so viel vergnügen ahn seinem enckel dem Czaarwitz hatt. Ich hette nicht gedacht, daß ein Moscowitter so flatteur konte sein, habe sie mir storischer eingebilt. Es ist gewiß, daß mitt dauben umbzugehen verdrießlich, aber noch verdrießlicher mitt denen, so sich stellen, alß wenn sie daub, undt seindts nicht, wie ich etliche kene … Zwischen die jesuwitter undt Jansenisten ist ein ewiger krieg, aber die jesuwitter haben den König vor sich, seindt also die stärcksten, plagen die andern erschrecklich; man kan sein cour nicht beßer machen, alß gegen sie zu sein, aber mich jammern alle ehrliche leütte, wenn sie unglücklich sein. Ob ich zwar mehr freündt unter den jesuwittern habe, alß unter den Jansenisten, so muß man den letzten doch dießes nachsagen: sie leben woll undt christlich undt meritiren ihr unglück nicht, auch finde ich es ärgerlich, daß leütte von einer religion undt glauben so gegen einander sein, sich haßen undt verfolgen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Juni 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 277
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0760.html
Änderungsstand:
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