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Brief vom 25. Juli 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


766.


[281]
Fontainebleau den 25. Julli 1711.
Ich bin recht matt, jedoch so kan mich nichts abhalten, ahn E. L. meine schuldigkeit abzulegen undt auff Dero gnädiges schreiben vom 13. zu antwortten, mitt welchem ich gestern bin erfrewet worden, nachdem man mir 4 große paleten zur ader gelaßen undt 16 ontzen bludt benohmen. Das ist die ursach, warumb ich heütte so abgematt bin; die ursach, warumb man mir so viel bludt benohmen, ist, daß in der gestrichen nacht kam mir met verlöff met verlöff eine noht ahn; ich stundt auff, undt wie ich gewohnt bin, allezeit auff dießem thron zu leßen, zündt ich ein licht ahn undt setzt es in einen von den gueridons, so man hoch undt nieder machen kan nach dem es die gemächlichkeit erfordert. Wie aber in den alten heüßern, wie Fontainebleau ist, das parquet sich gar ungleich befindt, also hatt meine pantouffel im parquet gethrehet; ich wolte mich ahm geridon erhalten, er war aber zu leicht, wir fiehlen mitt einander auff den boden undt wie ich die handt mitt dem geridon ambarassirt hatte, konte ich sie nicht vorwerffen, fiel also blat auff die naß, welche, sehr geschwollen, nun woll ist wie mein armer bruder s[eelig] mich alß pflegt zu nennen, nehmblich tacksnaß[1]. Ich habe lang disputtirt undt mich vor so eine bagatelle nicht wollen zur ader laßen, aber man hatt mich so geplagt undt so gebetten, daß [ich] mich entlich habe erbitten laßen, umb nicht mehr geplagt zu werden; es gerewet mich aber, denn es hatt mich so erschrecklich abgematt, daß ich kaum ahtem hollen kan, undt fürchte, daß ahnstatt mich zu curiren man mich wirdt recht kranck gemacht haben … Der arme abbé de St. Pierre[2] ist sehr mitt seinem buch[3] außgelacht worden … Zu Paris helt man den papst gar nicht vor infaillible; die Sorbonne hatt dargegen geschrieben. Ich glaube, daß mons. de Cambray[4] [282] wie mons. Filding[5] ist undt sein petit religion à part hatt, aber verstandt undt tugendt, drumb halt ich viel von ihm, denn ahn seinem glauben ist mir nichts gelegen …
Der Czaar soll selber das schiffmachen verstehen undt im grundt in Hollandt gelernt haben; man soll ihn damahls nur meister Pitter geheyßen haben. Dießer meister Pitter kan, wie man alß in der Pfaltz sagt, waß mehrers alß brodt eßen. Wenn der Czaar gutt bir will drincken, muß er nicht hieher kommen; die Frantzoßen machen bir undt admirirens, so nicht zu drincken ist; es ist eben alß wenn man ruß in waßer rührt, gantz schlap undt dabey bitter undt schmeckt nach rauch. Es seindt Englander zu Paris, die gutt bir machen, das finden sie nicht gutt, sondern nur das schlape dünne bir …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juli 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 281–282
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0766.html
Änderungsstand:
Tintenfass