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Brief vom 2. September 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


768.


[283]
Fontainebleau den 2. September 1711.
… Fontainebleau ist der ort von gantz Franckreich, so ich ahm liebsten habe, bin hir gar woll logirt undt habe alle meine leütte; die zwey stück habe ich zu Marly nicht. Hir habe ich die jagt, die schönsten spatziergäng von der weldt im waldt, undt gehe ich nicht auß, habe ich ein cabinet, so recht ahngenehm ist; E. L. gnädige schreiben habe ich hir noch geschwinder alß zu Versaille … Es wirdt ein rechter trost vor dem König in Preussen sein, seines cronprintzens gemahlin schwanger zu wißen, denn das wirdt hoffen machen, daß der verlust baldt wider wirdt ersetzt werden. Die cronprintzes solte der armen Königin ein wenig lehrnen, dem König in Preussen zu gefahlen, denn sie jammert mich, so gar nicht bey ihrem König in gnaden zu sein. Ich fürcht, die pest wirdt endtlich gar auch nach Paris kommen, denn die blattern undt fleckfieber regieren stärcker dort, alß nie. Aber was zu verwundern, ist, daß mad. Scudery, so nun 88 jahr alt ist, beßer davon kommen ist, alß alle junge leütte, so alle dran gestorben sein, undt dieße alte fraw hatt sich in der schwehren kranckheit salvirt, das hatt mir recht woll gefallen. …
Mad. la dauphine wirdt offt gritlich undt ungedultig über des duc de Bery lieb vor seine gemahlin[1]; sie sagt, er were zu fade. Dießer ist gar nicht devot, helt nichts von betten, thuts so wenig alß ihm möglich ist; aber man hatt ihn alß gar kurtz gehalten. Er hatt nun eine fraw, da er mitt machen kan undt darff, was er will, das charmirt ihn undt [er] meint, daß nichts in der welt so schön ist. Von gesicht noch von taille ist sie es gantz undt gar nicht, hatt einen kurtzen dicken leib, lange ärm, kurtze hüfften, geht übel undt ist de mauvaise grace in allem was sie thut, grimassirt abscheülich, hatt ein flenerisch gesicht, von den blattern verdorben, undt rotte augen, inwendig hell blau, ein gar roth gesicht, sicht viel älter auß, alß ihre jahren in der that sein. Aber was sie perfect schön hatt, ist der halß, handt undt arm, die hatt sie sehr weiß, woll geschaffen, undt hatt auch artig füß undt schenckel. Ich kan nicht begreiffen, warumb sie so gar übel undt [284] wackelicht geht. Mitt dießem allen meint ihr mann undt vatter, daß Helena nie so schön geweßen alß die duchesse de Bery.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. September 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 283–284
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0768.html
Änderungsstand:
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