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Brief vom 24. September 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


770.


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Versaille den 24. September 1711.
… Könten E. L. zu landt nach Engellandt kommen undt könte ich sicher sein, daß die verenderuug von lufft E. L. nicht schaden könte undt sie noch ein 50 jahr regiren könten, wolte ichs E. L. von hertzen wünschen, allein wenn ich gedencke, daß E. L. leben undt gesundtheit drüber leyden könte, kan ich ihnen dieße cron gar nicht wünschen.
Man muß die warheit sagen, der peupel ist recht insolent in Hollandt, sehen keinen standt ahn; ich glaub, der König in Preüssen hatt woll gethan, dem peupel sich nicht zu weißen[1]. Dießer König wirdt nun gantz getrost sein, nun er die cronprintzes schwanger gefunden hatt. Hir sagt man, der Churprintz von Saxsen hette abjuration gethan[2], weillen Louise mir es aber nicht schreibt, kan ichs nicht glauben. Man sagt zu Paris noch mehr, man will, daß alle Churfürsten nicht einig seyen umb die wahl, daß die geistlichen allein König Carl wollen, daß die weltlichen aber gantz uneins sein, daß der Grandduc seinem dochterman Churpfaltz in dem sinn ligt, er solle suchen Keyßer zu werden, daß der Großhertzog all sein gelt deßwegen spendiren will undt König Carl will zum römischen König machen, daß es aber die andern nicht leyden wollen, daß der König Augustus seinen [286] Churprintz zum römischen Keyßer haben will, daß der König in Preüssen selber Keyßer will gewehlet sein[3], undt E.L. herr sohn auch, undt daß also alles zu Franckfort uneins ist undt daß also die wahl noch lang nicht zu ende gehen wirdt …
Mich wundert, wie daß, weillen die Türcken zweymahl starcker waren, alß der Czaar, sie ihn nicht lebendig ertapt haben[4]. Der Czaar wirdt nun seine troupen auß Pomern ziehen müßen, weillen er dem König in Poln nicht mehr beystehen kan. Man sagt hir, der turckische Keyßer seye gar böß über den grandvizir, undt findt, daß er den frieden zu geschwindt gemacht hatt, undt daß es nicht sicher ist, daß dießer Keyßer den frieden, so avantageux er auch vor ihn seyn mag, nicht ratificiren wirdt. Die zeit wirdt lehren, was weytter drauß werden wirdt wie auch was der König in Schweden nun thun wirdt mitt seine gutte freündt, die Tartaren. Gantz Paris rufft gegen Villars, daß er sich Bouchain vor der naß hatt weg nehmen laßen[5]
Ich sehe nicht, daß printz Eugene diß jahr viel ehre ahm edlen Rein[6] erworben hatt, der esclat ist nicht groß geweßen. E. L. herr sohn hatt woll recht gehabt, nicht mehr hinzugehen …
Das seindt frantzösche freündtschafften, zwey jahr bey die leütte in der nahe zu sein undt sie nicht zu sehen. Die mutter[7] ist doch ahn ihrer dochter[8] unglück schuldig; hette sie sie beßer erzogen, were sie nicht so coquet geworden; were dieße printzes nur galant geweßen, were sie zu bejammern, aber ich kan ihr nicht verzeyen, daß sie mitt gifft hatt umbgehen wollen, das war zu arg. Mich wundert, daß ihrem herrn sohn[9] die lust nie ahnkompt, seine fraw mutter zu sehen. Es ist doch viel, daß sie noch schön ist, denn sie ist auch jetzt die jüngste nicht mehr undt schon großmutter von ihre beyde kinder; nach meiner rechnung ist sie 45 jahr alt, welches in meinem sinn das alter ist, wo die weiber ahm meisten ahnfangen zu endern …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. September 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 285–286
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0770.html
Änderungsstand:
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