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Brief vom 30. September 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


771.


[286]
Versaille den 30. September 1711.
Ich fange heütte ahn zu schreiben auß einer großen undt raren uhrsach, nehmblich daß der König mich morgen auff die jagt eingeladen hatt, welches mir seyder 20 jahren nicht widerfahren ist, hatt mich recht gefrewet; aber E. L. müßen doch erst beantwordtet sein, welches ich heütte thun werde.
[287] Ich habe gestern mitt dem schwedischen envoyé gesprochen wie auch mitt dem dänischen; der schwedische, mons. Croonstrom[1] sagt, daß die relation gar just seye, der dänische aber, mons. Warnick, will nicht gestehen, daß die Moscowitter geschlagen [seien] undt einen gezwungenen frieden gemacht haben[2]. Er sagt auch, daß die Türcken den König in Schweden[3] so müde seyen, daß der grandvizir ihm gedreüt hatt, daß, wenn er nicht baldt die rückreiß unterfangen würde, wolte er ihm den kopff abschlagen, undt daß der Ragotzqui[4] mitt eygener handt die zeittung geschrieben hatt … Der Czaar, finde ich, ist glücklich, so geschwindt den frieden gemacht zu haben; die parthey war gar zu ungleich undt er undt seine gantze armée hette ja zu schanden gehen müßen undt ellendig verderben, welches doch schadt geweßen were vor einen so verständigen undt wackern herrn, wie der Czaar ist. Aber die Türcken haben den König in Schweden unerhört betrogen, sie seindt mitt ihm umbgangen wie mitt einem kindt … Der chevallier de St. Georges[5] ist ja der rechte erb in Engellandt, also kein wunder, daß noch viel leütte vor ihn sein. Weill E. L. in ihrem standt vergnügt sein, wünsch ich dem König[6] sein Königreich noch desto eher … Mad. de Maintenon zeigt ihr alter gantz undt gar nicht, sie ist zwar ein wenig mager worden, aber sicht doch all fein auß; ich habe sie in 6 monat nicht bey nahem gesehen; ich habe 8 mahl zu ihr geschickt, wie wir zu Marly waren, sobaldt ich aber hingeschickt, ist sie weg. Ich kan sie ja nicht wider ihren willen sehen. Das contrefait, da der König mitt einer cron nackendt auff einem kißen sitzt, ist noch hir mitt dem blauen ordre umb den halß. Es stehet nur bey dem papst, die inquisition abzuschaffen, also so lang er es nicht thut, ist er nicht zu loben. Unßere Königin in Spanien[7] ist ebenso hertzlich von ihrem Könige geliebt, alß wenn sie so schön were alß Königs Carls gemahlin[8]. Die enderung habe ich nicht gern, warumb soll Serenité Electoralle beßer sein alß Altesse Electoralle?
P. S. Donnerstag den 1. October 1711, halb 8 abendts.
Wir kommen in dießem augenblick von Marly; die jagt hatt nur eine stundt gewehrt; hernach seindt wir alle ins hauß [gegangen] undt haben unß gantz wider ahngezogen. Umb halb 2 seindt wir ahn taffel, wir waren 15 ahn taffel. Man hatt braff geßen; gleich nach dem eßen ist ein jedes in seine kammer gangen; hernach ist jederman spatziren gangen. Es war das schönste wetter von der welt; der König ist biß halb 7 in seiner promenade geblieben, aber [288] alle damen seindt im salon, wo sie berlan[9] gespilt. Ich bin aber in mein neü apartement, wo ich viel sachen reglirt habe: wo man die schellen[10] hinhencken, wo met verlöff mein kackstuhl stehen solle, undt dergleichen hoch nöhtige sachen. Hernach habe ich etwaß in meinem schranck gesucht, so ich nicht gefunden; gegen abendt bin ich im salon, habe spiellen sehen biß umb halb 7 oder gar 7, daß der König wider kommen. Der König hatt mir viel höfflichkeit erwießen, hatt gesagt, er wolle in mein cammer, umb zu sehen, wie ich alles reglirt hette undt, wo waß fehlt, umb es machen zu laßen; das ist ja gar hofflich …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. September 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 286–288
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0771.html
Änderungsstand:
Tintenfass