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Brief vom 22. November 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


776.


[294]
Versaille den 22. November 1711.
… Die herren von der accademie seindt langsam in ihrem operation mitt aller ihrer vivacitet; man hatt ihnen lang vorgeworffen, daß, alß sie ihr dictionair gemacht, [sie] 20 jahr auff dem buchstaben Q geblieben sein; aber in französch lautt es viel poßirlicher, nehmblich daß messieurs de l’academie pour faire leur dictionnaire estoient demeurés 20 ans sur le Q. Ich plage mich gar nicht mitt dem, so ich nicht verstehe, ich thue mein bestes, Gott zu lieben, ihm auff meine weiß zu dinnen undt meinen negsten so viel guts zu thun, alß bey mir stehet, ehrlich undt woll nach meinem standt zu leben, in was mir möglich ist in Gottes willen zu ergeben undt ihn in alles walten zu laßen. Weitter weiß noch begreiff ich nichts; ihmer lustig zu sein ist schwer, wenn man keine lustige geselschafft hatt, aber man kan woll durch viel amusementen sich hindern, trawerig zu sein, undt das thue ich auch. Ich gestehe, daß ich des Czaars hollandische bradgers gar gern höre, denn sie seindt recht vernünfftig undt man sicht woll auß alles was er thut [295] undt redt, daß er recht verständig ist[1]. Es verdriest mich, wenn ich sehe, daß die hertzogin von Zelle[2] bey E. L. sein kan, wenn sie will; dazu ist sie nicht gebohren wie ich bin, undt ich, die ich E. L. über alles liebe, ehre undt respectire, muß immer so weydt von E. L. sein, daß meine schreiben sie kaum erreichen können. Viel frantzösche weiber können ihr menage selber führen; dieße kunst kan ich nicht lernen; ich glaube auch nicht, daß E. L. gar gelehrt drin sein, denn man hatt unß nie le menage gelehret; aber armen guts thun wißen wir doch ebenso gutt alß die hertzogin von Zel. Ich kan schwerlich glauben, daß die printzes von Allen[3] in langeweill undt zahnschmertzen kan schönner geworden sein; nichts verstelt mehr ein gesicht alß wenn die zahn außfallen. Ich muß von hertzen lachen, daß E. L. sagen, daß die weiber zu Hannover die hörner auff allerhandt art tragen, die männer aber nur auff eine. Der männer mode ist so alt schir alß die weldt. Wo solte die hertzogin von Zel fürstliche minen her nehmen? Wenn E. L. wüsten, was die demoiselles suivantes hir sein, Sie würden sich noch verwundern, daß dieße sich ein augenblick fürstlich stellen kan, denn wer waß rechts ist, würde ma tante von Tarante[4] hir nicht gedint haben, denn man weiß hir nicht, was eine printzes von Heßen ist, undt rechte leütte von condition würden nicht im hauß von la Tremouille dinen, es seyen dan gar arme leütte, so sonst bettlen müßen gehen; alle andere seindt nur schantilliatres[5]. Also war es woll ein ellender heüraht, den patte[6] da gethan hatte, wenn ich dencke, daß all ihr[7] ambition war, meines ersten haußhoffmeisters vatter zu heürahten, so damahl premier valet de chambre bey Monsieur s[eelig] war undt Colin hieß, der sie nicht einmahl haben wolte. Aber dieß ist eine gar alte historie, die ich, wie ich fürcht, E. L. schon offt werde gesagt haben.
Warumb wirdt man eine sinode zu Lunenburg halten? Ist noch etwaß ahn der religion zu arbeytten, welches die herrn geistlichen woll gern thun, wenn ein jeder eine hübsche goldene medaille davon tregt; da kan man lang vor beten …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 294–295
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0776.html
Änderungsstand:
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