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Brief vom 18. Februar 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


783.


[301]
Marly den 18. Februari 1712.
… Ich dachte E. L. heütte von nichts traweriges zu schreiben alß von der betrübten ceremonie, so ich gestern habe zu Versaillen thun müßen, aber das unglück überheüfft unß noch auffs neüe, denn der gutte mons. le dauphin ist seiner gemahlin gefolgt undt dießen morgen umb halb 9 verschieden. E. L. können leicht gedencken, in welche erschreckliche betrübtnuß wir alle hir sein; des Königs seine ist so groß, daß es mich vor I. M. gesundtheit zittern macht. Es ist ein abscheulicher verlust vor das gantz Königreich, denn es war ein tugendtsamer, gerechter herr, verständig; Franckreich konte keinen größeren verlust thun; alles was hir ist, verliehrt dran; es touchirt mich recht von grundt der [seele]. Ich habe auch negst Gott keinen trost, alß E. L. Weillen der König husten undt schnupen hatt, hatt man ihn nicht geweckt, hatt aber dieße abscheüliche zeittung gleich erfahren. Der König verliehrt viel ahn dießem herrn, denn seyder seines herrn vatter todt hatt ihn der König in alle raht kommen laßen undt die minister arbeyteten mitt I. L.; er soulagirte den König wo er konte, war barmhertzig, gab viel allmoßen, hatt alle die juwellen von seiner fraw mutter verkaufft undt ahn arme verwundte officir geben; alles guts hatt er gethan, so in seinem vermögen gestanden, undt sein leben niemandt nichts böß gethan. Ich glaube nicht, daß erlebt ist worden, was man hir sehen wirdt, nehmblich mann undt fraw in einem wagen nach St. Denis zu führen. Ich bin noch so voller schrecken, daß ich mich nicht erhollen kan. Die trawerigkeit, so hir regirt, ist nicht zu beschreiben, ich glaube schir, wir werden alles was hir ist eins nach dem andern weg sterben.
Daß ich nicht so viel einkommens hab, alß ich vor meinen standt haben solte, das ist der printzes Palatine[1] schuldt, sie hatt meine heürahtsverschreibung ärger auffsetzen laßen, alß die geringste bürgersdochter von Paris. Ja, hette Monsieur nichts auß der Pfaltz von mir bekommen, hette ich nichts vom meinen pretendiren können alß 14 000 francken. Das ist eins; zum [302] andern haben unß meins sohns leütte betrogen undt mein wittum undt einkünfften viel hoher gelieffert, alß sie eintragen; undt zum dritten, so hatt auch mein schatzmeister 200 000 thaller gestollen undt ist drüber gestorben undt hatt sein diebstahl so versteckt, daß man nichts finden kan, es wider zu ersetzen. Die zeitten sein böß, man wirdt übel von König undt meines sohns leütten bezahlt; das setzt zurück undt macht schulden, also daß ich ahnstatt reich vor meinen standt recht arm bin …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Februar 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 301–302
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0783.html
Änderungsstand:
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