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Brief vom 20. Februar 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


784.


[302]
Marly den 20. Februari 1712.
… Es ist zwar heütte kein posttag, aber wenn mein hertz in ängsten undt trawerig ist, wie nun, so weiß ich keinen beßern trost zu schöpffen, alß mein hertzlieb ma tante mein ellendt zu klagen. Es ist nicht genung, daß ich recht von hertzen betrübt bin über den todt von mad. la dauphine undt mons. le dauphin, von welchen ich seyder 2 jahren her rechte ursach hatte, zufrieden zu sein, es muß mir noch waß zustoßen, das mich noch schmertzlicher ist undt die seele durchdringt: böße gemühter haben durch gantz Paris außgebreydt, mein sohn habe den dauphin undt dauphine vergifft. Ich, die mich auff seine unschuldt wolte brennen laßen, habe es erst vor naredey gehalten undt nicht gedacht, daß es möglich sein könte, daß man eine solche sach ernstlich sagen könte; allein man hatt dem König die sach so ernstlich vorgetragen, der doch gleich meinem sohn davon mitt gütte gesprochen undt versichert, daß er es nicht glaubt, jedoch so hatt er meinem sohn selbst gerahten, seinen chimisten, den armen undt gelehrten Humberg[1] in die bastille zu schicken, damitt dießer meinen sohn rechtfertigen möge. Wie mir dießes zu hertzen geht, können E. L. leicht gedencken; ich bin recht auß mir selber. Etliche sagen, dieße bößheit seye auß Spanien herbericht worden; wenn das were, so müste die princesse des Ursins[2] gar ein teüffel sein undt ihre rache gegen meinen armen sohn weidt führen; seine vexirerey gegen dießer dame kost ihm thewer.
Wolte Gott, ich were bey E. L. zu Achen[3] undt könte mein leben nicht wider her. So lang des herrn Leibenitz bein offen bleibt, wirdt er gesundt leben, geht es aber zu, ist er dahin; das habe ich so ahn die marechalle de la Motte[4] undt ertzbischoff von Rheims[5] gesehen. Der Czaar ist rhümlich, so viel schonnes in sein reich haben zu wollen wie eine academie des sciences.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Februar 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 302
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0784.html
Änderungsstand:
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