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Brief vom 29. Mai 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


798.


[315]
Versaille den 29. May 1712.
… Ich kan nicht begreiffen, was der König in Schweden vor Bender thun muß, denn nur zu pferd herumb zu tomeln, deücht mir, were eben so leicht zu Stockholm zu thun, alß zu Bender … Mich deücht, die conferentz zu Utrecht wehrt zu lang, umb was guts außzubrüten; Gott gebe, daß wir baldt einen beständigen gutten frieden haben mögen.
Ich habe böße knie undt kurtzen ahtem, aber sonsten befindt ich mich gottlob perfect woll, habe nirgendts wehe, gutten apetit undt schlaff nur zu viel; felt mir waß verdrießlich vor, schlag ichs in den windt, alß zum exempel, daß ich sehe, daß mein sohn nicht bei mir dawern kan, daß er mich gar nicht lieb [hat], seiner dochter alles gibt, mich aber drey jahr schuldig bleibt, mich in dem gantzen tag kein viertelstundt [besucht], kompt umb 9 abendts undt umb ein viertel auff 10 geht er wider weg.
Es war le cardinal du Perron, der vor undt gegen die gottheit predigen wolte. Des herrn Leibnitz buch habe ich noch nicht geleßen, aber wenns E. L. langweillig finden, wirdt es mich gewiß einschlaffen. Herr Leibnitz wirdt eine starcke parthie hir ahn die jessuitten haben, wenn er sie mitt Confussius[1] aprobirt; ich habe auch nie gefunden, daß sie hirin unrecht haben. Mons. Leibnitz muß gutten verstandt haben, mitt E. L. über sein buch zu lachen; es ist rar, daß ein autheur nicht partialisch vor sein buch ist, das gibt mir recht gutte opinion von ihm. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Mai 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 315
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0798.html
Änderungsstand:
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