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Brief vom 19. September 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


804.


[320]
Versaille den 19. September 1712.
… Ich bin fro, daß E. L. beide herrn söhne wider bey Ihnen sein, das gibt doch mehr verenderungen undt wenigere stille. Was den sinode ahnbelangt, so halte ich die compagnie von pfarherrn ein beßer zeitvertreib vor die raugräffin, alß vor E. L. Ich stürbe vor langeweill; zwey predigten in einem tag ist – Gott verzeye mirs – etwaß so langweilliges vor mich, daß ich es nicht außstehen könte. Wenn der sinode ist, umb alles in gutt ordre zu halten, die laster so viel möglich abzuschaffen undt die tugendt ahn den platz zu setzen, finde ich es schön undt wolte, daß man auch ein sinode hilt; E. L. können leicht rahten, warumb. …
Die abdißin von Gandelsheim[1] muß einen harten schlaff haben; mich wundert, daß sie nicht den windt beschuldigt, wie andere gethan haben. Von der schwangern abdißin von Maubisson will ich nichts sagen; aber ihre cammer habe ich zu Maubisson gesehen. Ich kan nicht laßen zu glauben, daß es wahr ist, weillen man es im closter selber verzehlt. Das ist abscheülich, daß mad. Gersdorf auch ein kindt mitt dießem Brauns gehabt hatt; sie muß übel erzogen worden sein. Von dem armen marechal de Bouffler[2] werde ich nichts mehr sagen, nur das, daß er sehr regretirt ist worden; er war ein ehrlicher, auffrichtiger mann, der alle leütte so viel gedinnet hatt, alß in seinem vermögen gestanden. Es ist woll wahr, daß wenig bey unß armen menschen stehet, zu thun was wir gern wolten; jedoch so ist die tugendt eine solche schönne sach, daß sie woll zu estimiren ist, wo sie sich findt, denn sie ist nützlich vor sich selber undt vor andere, laster aber stellen überall unheil ahn. Der todt ist nicht allein ein unglück ohne hulff, es ist auch ein unglück ohne ende, weillen man einander nimmermehr wider sicht.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. September 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 320
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0804.html
Änderungsstand:
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