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Brief vom 25. Dezember 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


809.


[324]
Versaille den 25. December 1712.
In dießem augenblick komme ich vom heyligen abendtmahl. Es war eben in werender groß meß, daß man mir meine 3 gesagt (?), die orgeln spilten eben:
Von Gott will ich nicht laßen,
Denn er lest nicht von mir,
Führt mich auff rechter straßen,
Da ich sonst irret sehr.
Er reicht mir seine handt,
Den abendt alß den morgen
Thut er mich woll versorgen,
Sey wo es woll im landt
[1].
Es seindt auch frantzösche christlieder auff dieße melodey, aber alle frantzösche kommen doll herauß undt seindt bey weyttem nicht so schön wie die lutherische. Sobaldt ich es hörte, erinerte es mich ahn Hannover, denn da kam ich auff Samstag ahn; E. L., oncle noch patte waren damahlen nicht zu Hannover undt man führte mich gleich in kirch: ich sunge gleich mitt, denn die melodey ist gar nicht schwer zu behalten. E. L. konnen woll gedencken, daß ich nicht ahn Hannover gedencken kan ohne auch ahn E. L. zu gedencken, also sein E. L. unwißendt bey meiner communion geweßen. Ich admirire allezeit [325] E. L. große gedult, mein gekritzel mehr alß einmahl überleßen zu können. E. L. können nun woll gottlob ohne sorgen vor meine gesundtheit sein, denn ich werde täglich beßer; die stärcke ist zwar noch nicht groß; das hertz habe ich immer gutt gehabt undt bin nie übel noch ohnmächtig worden, auch nicht einmahl von dem so gar starcken aderlaßen, denn sie haben mir ahm fuß gelaßen alß wenn ich ein schwein were undt sie bludtwürst von nöhten hetten …
Ich finde, daß der hertzog von Braunsweig[2] groß recht hatt, übel zu nehmen, daß man den brieff ahn sein fraw dochter[3] übersetzt hatt; aber I. L. hetten ihn selber E. L. weißen sollen, so were es nicht außkommen. Die Königsmarckin[4] hatt auch unrecht, offendtlich zu leßen was der gutte hertzog ihr in vertrawen geschickt; aber wie kan er sich ahn so ein mensch vertrawen? denn man kan leicht gedencken, daß, weillen sie selber einen banquert gemacht, daß sie mitt freüden außbreitte, daß es andere nicht beßer gemacht haben …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Dezember 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 324–325
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0809.html
Änderungsstand:
Tintenfass