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Brief vom 19. November 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


819.


[331]
Marly den 19. November 1713.
… Man verzehlte ahn meiner taffel, wie zwey verständige männer bey madlle de Détar[1] geweßen weren undt hetten bezeügt, daß sie nie ahn [332] geister geglaubt hetten, aber nun überzeügt weren; der eine ist l’abbé Dubois[2], so meines sohns precepter geweßen, der andere ist Fontenelle[3] de l’academie, der das buch de la pluralité du monde gemacht hatt. Man hatt auch verzehlt alles was sie gehört undt gesehen haben … Mein sohn meint aber, daß Fontenelle sich nur so gläubig erwießen, weillen er übel mitt den jesuwittern stehet, daß dieße ihn beschuldigt, gar nichts zu glauben, daß er derowegen dieße occasion genohmen, sich gläubig zu stellen. Was den abbé Dubois ahnbelangt, so ist er der groste fourbe undt betrieger von Paris, also hüttet er sich woll, andere fourberien zu entdecken, es ist viel, wenn er nicht selber etwaß dazu setzt. E. L. müßen sich ja, wenn Sie mir schreiben, nicht nach ihrer wißenschafft undt verstandt richten, sondern nach dem meinen undt wie ichs verstehen kan; contreversen verstehe ich gar nicht undt höre nicht gern von religion, wolte lieber hören, daß man ein mittel gefunden, alle christliche religionen zu vergleichen, finde, daß es ein scandalle vor die Türcken undt heyden ist, daß wir christen, die alle ahn einen erlößer glauben, so different sein, einander verfolgen undt haßen; armen guts thun geht nicht in die contrevers, das ist recht catholisch, denn das wirdt von allen religionen aprobirt …
E. L. werden gelesen haben, wie es nur zu wahr ist, daß die arme raugräffin ihren so sehr geliebten neveu verlohren[4], er ist den 8. October auff der reiß von Ihrlandt nach Engellandt gestorben. In Engellandt meint man, daß es ein heüraht clandestin ist, die der duc de Schomberg mitt einer adellichen dame gethan undt soll zwey sohne mitt ihr haben. Ich hoffe ja nicht, daß Louisse sich ferner mitt des ducs de Schomberg affairen plagen wirdt; die zwey döchter von Caroline jammern mich von hertzen.
Das stück von Peter Schwentz[5], ist es nicht das, wo man alß singt: O pfuidian, hinauß, hinauß mitt dir, pfuidian hinauß undt all die solche sein? oder fengt es ahn durch den magister undt seine fraw, da man singt:
Herr magister, was soll es doch sein,
Daß ihr mich alhir wolt laßen allein?

[333] undt er andtwortt:
Nicht dencket, nicht fraget, ist dießes euch neü,
Ihr wist, daß ich ein magister hir sey;
Wir haben zu schaffen, wir haben zu thun,
Undt müßen stets wachen, wenn andere ruhn,
Wir müßen studiren undt disputiren
Undt sehen, wie wir unßere schüller regiren,
Wir müßen stehts suchen, waß morgen felt ein,
Wenn anderst die sache gantz richtig sol sein.

Ahn alte zeitten gedencken erfreüet erst undt betrübet hernach; mir allezeit thuts so, sehe, daß es E. L. auch so ist …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. November 1713 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 331–333
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0819.html
Änderungsstand:
Tintenfass