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Brief vom 25. Februar 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


829.


[340]
Versaille den 25. Februari 1714.
… Man schreibt mir von Strasburg, daß die Ill undt der Rhein eben so nieder sein alß die Seine; man fährt mitt geladenen wagen durch den Rhein undt man hatt nun, [da] das waßer so gar nieder, zwey seüllen gefunden, woran geschrieben, daß in ein solches jahr, so man nent, der Rhein so nieder geworden; es ist jetzt just 250 jahr. Die herrn von Strasburg haben in ihren annallen nachsuchen laßen, was es bedeütt, daß man die seüllen in den Rhein gesetzt, undt haben gefunden, daß man diß jahr marquirt hatt, weillen es das fruchtbarste jahr von der welt geworden, drumb hatt man just die seüllen eingesetzt undt das jahr drauff geschrieben. Wenn es so zu Bacharach ist undt man des Bachus altar mitten im Rhein sehen könne, solle es ein gutt weinjahr werden. Das geht aber E. L. nichts ahn, denn Sie drincken keinen. Das erinert mich ahn den brechelsdantz[1], welche melodey I. G. mein herr vatter über alle melodeyen liebte; die wörtter drauff seindt:
So laßet das waßer der gänsen dranck sein,
Jederman, jederman drincket gern wein,
Undt sonderlich du undt ich.
Die bawern ahm Necker undt über den Rhein
Sie haben viel waßer undt drincken undt drincken den wein.

Diß ist woll ein alt liedt; ich glaube, daß E. L. es auch woll werden gehört haben. Das kan man aber E. L. nicht singen, weillen sie, wie schon gesagt, keinen wein drincken …
In gantz Paris spricht man von nichts anderst alß von der constitution vom papst[2] undt waß vor drey tagen vorgangen. Der König schickte seinen grandaumosnier, den cardinal de Rohan[3], in die Sorbonne mitt expresse ordre, des papst constitution ahnzunehmen, wie er aber hinkam, fandt er ein mandement vom ertzbischoff[4], so geradt dargegen. Mich deücht, daß das mandement woll geschrieben ist, drumb schicke ichs E. L. [341] Der pöpel zu Paris liebt seinen ertzbischoff undt haben gedrawet, daß, wenn die jesuwitter ihm waß übels über den halß ziehen werden, wollen sie die jesuwitter in ihrem hauß verbrennen. Drumb hatt einer von dießen patern gar poßirlich gesagt: Le pere le Tellier[5] nous mene si grand train, que j’ay peur qu’il ne nous verse … Ich mische mich in kein parthie, bin weder Janseniste noch jesuwittisch. Wo ich ehrliche leütte undt die verstandt haben [finde], mitt denen rede ich gern, von welcher parthie sie auch sein mögen. Ich habe meinen glauben, wie mir Gott das vermögen gibt, das christenthum zu verstehen, undt laße jedes glauben wie es kan. Der König glaubt den jesuwittern blindtlings …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Februar 1714 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 340–341
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0829.html
Änderungsstand:
Tintenfass