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Brief von etwa 1674

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


24.


[024]
[Ohne Datum.]
Meine hertzallerliebste fraw Harling wirdt dencken, ich machs nach dem teütschen sprichwort: Versprechen ist fürstlich, halten aber bäurisch, denn ich habe einen großen mächtigen brieff versprochen undt keinen geschriben. Weil aber keine sünde so groß, wan man reü undt leidt drüber hat, daß sie nicht vergeben werde, so bitte ich dan meine liebe hoffmeisterin (denn ihr noch das recht habt) umb verzeyung erstlich vor die lüge, so ich geschrieben, zum andern, daß ich mein lieb fraw Harling hab glauben machen ohne zweiffel, als wan ich ihrer vergeßen hette. Ich hoffe, ich werde meine absolution entpfangen, indem ich die penitentz sage, so ich davor gethan, dan es ist das schönste wetter von der welt heütte undt ich bin mit fleiß nicht außgangen, umb ahn euch zu schreiben, indem ich mit printz Gustien[1] ein töpel [?] außhalte undt sage wie er als pflegte zu sagen: nicht meh thun, großhoffmeisterin, nicht meh thun. Das bandt soll auch erster tagen folgen, ich wolte mich gerne selber dran binden, umb mit nach [025] Osnabruck zu gehn, dan hir ist es gar nicht sonderlich lustig, weil der König undt Monsieur nicht hier sein, undt insonderheit seitter die Königin ins kintbett ist. Ich habe matante den gantzen verlauf davon verzehlt undt wirdt sie es euch ohne zweiffel weißen, wie gelehrt ich hir in Franckreich worden bin.
Was soll ich nur mehr sagen, neües weiß ich nicht viel als von unßerm König und Monsieur undt das könt ihr außführlicher weißen, als ich, weil es näher bey euch als unß hir ist; alebenwoll wolt ich gern einen großen brieff schreiben, damit ich meiner versprechung in etwas nachkommen möge. Ich dencke, ich will euch eine zeittung von Paris, so kürtzlich geschen, verzehlen, damit könt ihr noch einem von den printzen mit die zeit vertreiben, wan sie anders so gerne verzehlen hören, als ich als pflegte undt euch oft genung darumb geplagt habe. Vor ein tag 14 oder woch 3 ist ein medgen von 12 jahren mit einem andern medgen von 7 oder 8 jahren spatziren gangen. Das medgen von 12 jahr war gar hübsch. Wie sie vor die pfort von St. Anthone kommen, begegneten ihnen 4 volle kerls, die nahmen das medgen von 12 jahren, das ander aber lief nach hauß undt sagts seinem vatter undt mutter; undt wie sie kamen, das kint zu suchen, fundt mans in einen kandel[2] den kopf abgeschnitten, arm undt bein auch vom leib just in den glenchen[3], so daß die balbirer, so dazu kommen waren, sagten, daß entweder balbirer oder metzger die that müsten gethan haben, denn es unmöglich were, daß andere menschen die gelench so just finden könen. Wie sich alle leütte versambleten, um dißes spectackel zu sehn, erkante das medgen von 8 jahren, so mit dem andern geweßen war, 2 kerls undt sagte gleich, die 2 weren auch von denen, so das ander medgen so zugericht hetten. Die kerls vermeinten, nicht gekant zu werden, denn sie andere kleider angezogen hatten. Man hat sie gleich gefangen genohmen; sie haben gestanden, daß sie das kint erst genohtzügtiget undt, weil es sich gar schrecklich geweret, also zerhauen hetten. Es seindt 2 metzgerknecht von 18 undt 19 jahren; man hat sie beyde gerädert, aber die andern 2 hat man nicht erfahren.
Das ist alles was ich von hir schreiben kan. Ich bitte, mein hertzlib fraw Harling wolle mein compliment bey allen den printzen wie auch bey der printzes verrichten undt dem printzesgen[4] sagen, daß ich heütte eine gantze stunde mit Monsieur le Dauphin[5] geredt habe undt daß ich [026] von hertzen gern ihr kupellen wolte; ich förchte aber gar sehr, Monsieur wirdt mir mit seiner dochter[6] zuvor kommen, denn sie albereits trefflich gutte freündt seindt, ja so sehr, daß die freündtschaft, so Monsieur, le Dauphin undt ich mit einander haben, ich noch nicht recht weiß, ob es meinethalben oder umb madmoisel[7] geschicht, denn ich erst seitterdem gantz undt gar bey ihm in gnaden bin, daß ich ihm hab geholfen, daß er madmoisel geküst hat. Wofern ich aber gewust hette, daß dißes meinem patgen[8] intracht gebracht, hette [ichs] bey leib und bey leben nicht gethan. Mr. Harling laß ich sagen, daß ruschenplattenknechtgen die zeit lang felt undt daß ich möchte gern zu Iburg itzunder sein, umb mit den andern ruschenplattenknechtgen ein wenig herumb zu raßen, umb die zeit zu vertreiben. Adieu, mein hertzlieb fraw Harling, ich hoffe, daß ich mein versprechen nunmehr gehalten undt lang genungen brieff geschrieben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief von etwa 1674 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 24–26
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0024.html
Änderungsstand:
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