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St. Cloud den 20. aprill 1676.
… Es ist mir unmöglich geweßen, euch eher alß nun zu antworten,
denn ich gar zu bestürtzt geweßen bin uber den unversehnen fall, womit
mich Gott der allmächtige heimgesucht hat
[1], kan mich alß noch nicht davon
erhollen. Jetzt seht ihr woll, daß ich nicht umbsonst gewünscht, daß meine
kinder unter eweren henden sein mögten, denn ich hab mein unglück von
weitem her kommen sehen. Man helt hir einen wunderlichen ahnstalt mit
den kindern undt ich habe leyder nur zu viel gesehen, daß es auf die lenge
kein gutt thun würde. Mein unglück ist, daß ich gar nicht weiß, wie man
mit kindern umbgehen muß undt gar keine experientz davon habe; drumb
muß ich glauben, waß man mir hir vorschwetzet. Aber genung hievon,
denn je mehr ich es nachdencke, je traweriger macht es mich; undt jetzt hab
ich keinen trost, denn Monsieur ist vergangenen donerstag mit dem König
nach der armée verreist. Dießes alles wirdt auf die lenge meiner miltz
kein gutt nicht thun, undt so lustig ich auch von natur sein mag, so helt
es doch keinen stich bey dergleichen abscheülichen unglücke; [ich] glaube nicht,
daß man auß ubermäßiger trawerigkeit sterben kan, denn sonsten were ich
ohne zweiffel drauf gangen, denn waß ich in mir entpfunden, ist unmöglich
zu beschreiben. Wan gott der allmächtige dißem kint nicht absonderlich hilft,
womit ich jetzt schwanger gehe, sonsten hab ich schlechte opinion von seinem
leben undt gesundtheit, denn es unmöglich ist, daß es nicht etwaß mit von
meinem innerlichen schmertze entpfunden. Aber apropo von schmertzen: ich
hoffe, daß ihr nunmehr wider in volkommener gesundtheit sein werdet undt
ewern arm nicht mehr entpfindet, insonderheit bey dißem schonen
frühlingswetter. Aber in dießem augenblick ruft man mir zum nachteßen, drumb
kan ich nichts mehr sagen alß daß Mr. Harling meinen gruß hir findt undt
daß ich versichert bin, daß, wan er mich jetzt sehen würde, so würde er mich
nicht mehr kennen, denn ich bin gar kein rauschenblattenknechtgen mehr undt
ist mir das rauschen abscheülich vergangen. …