Seitenbanner

Brief vom 30. Juni 1691

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


51.


[046]
St. Cloud den 30. Juni 1691.
… Es ist nur leyder gar zu wahr, daß mein sohn in campagne ist undt noch darzu so marchiren beide arméen nun, also daß mir gar nicht woll bey der sachen ist, denn weilen sie nicht weit von einander sein, mögen sie sich vielleicht begegenen, wobey es dan all scharff genung hergehen würde. Ich weiß woll (undt mein lieb fraw von Harling hat mirs vor langen jahren gelehrnt), daß gott die seinigen überall erhalten kan; aber ich hab leider kein brieff undt sigel, daß gott der allmächtige meinen sohn erhalten will, undt ich weiß, daß man im krieg große gefahr außsteht; zudem so hat mich das exempel von den 2 lieben printzen Friedrich August undt Carl[1] greulich scheü gemacht. Der fürsten leiber undt köpff seindt nicht härter alß andere undt das bley dringt ebenso leicht hinein alß in den gemeinen soldaten undt in einer schlacht ist wenig sicherheit. Drumb muß ich gestehen, daß mir recht angst bey der sachen ist undt werde keine ruhe haben, biß ich meinen buben[2] wider hir habe. … Ich glaube, daß es euch sehr schmertzen wirdt, den Churprintzen von Brandenburg[3] zu [047] verlaßen. Mons. Balati[4] hat mir viel von I. L. verzehlt undt sagt, daß es das artlichste undt ahngenehmste kindt seye, so man sehen mag. Daß ma tante den Churprintzen sehr caressirt, nimpt mich kein wunder, aber daß oncle hat lernen können, mit kindern umbgehen undt sie flatiren, wundert mich. Waß mich ahnbelangt, so bin ich woll versichert, daß ich ihn sehr caressiren würde, denn erstlich so hab ich alle artliche kinder lieb, wie viel mehr würde mir dießes lieb sein, welches matante undt oncle enckel und mein patgens[5] sohn ist. … Ich versichere euch, mein lieb jungfer Uffel, daß es mir eine rechte freüde sein würde, euch noch einmahl wider zu ambrassiren, undt würde ich wol gar nicht gedencken, daß ihr mich auß interesse secht, denn wie meine sachen leyder beschaffen sein, so kan ich wol gar nicht gedencken, daß man mich auß interesse flatirt, denn ja wol niemandes in der welt weniger gutts thun kan, alß ich, undt hette ichs in meiner macht, würde mein lieb fraw von Harling schon zeichen von meiner affection entpfangen haben. Hir pralt man viel von grandeur, aber ich halt von keiner grandeur nichts, wenn man nicht guts thun kan; derowegen auch hab ich gar keine vanitet von meinem standt. Ich bitt, wenn ihr mir wider schreibt, so macht doch keine so große ceremonien in ewerem brieff. Ich habe heütte einen von meinem Harling entpfangen, er ist in derselben armée, wo mein sohn ist, undt in volkommener gesundtheit, undt damit er ein wenig mit beßerm trost seine zeit zubringen möge, so werde ich ihm morgen ein klein preßentgen schicken. Ich bitte Mons. Harling von meinetwegen vor sein compliment zu dancken undt ihm wider eins von meinetwegen zu machen. Ich hoffe, daß der miraculeuse brunnen[6] ihm sein bodagra heillen wirdt. In dießem augenblick ruft man mir, umb viel damens zu sehen, muß also wider meinen willen schließen undt vor dißmahls nichts mehr sagen alß daß ich bin undt allezeit verbleibe …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juni 1691 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 46–47
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0051.html
Änderungsstand:
Tintenfass