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Versailles den 10. februari 1695.
… Daß mein hertzlieb jungfer Uffel das vertrawen zu mir hat, meinen
raht zu ersuchen, bedarf kein endtschuldigung noch um vergebung bitten,
contrarie ich halte mich gar stoltz dabey, daß man meinen hirnkasten vor
gutt genung helt, einen raht zu geben, will derowegen meine meinung recht
offenhertzig herauß sagen. Es ist gar gewiß, daß diß landt hir gar deüchtig
vor die junge leütte ist, maniren zu lehrnen undt auch die welt zu kennen,
undt kan man in dem fall mehr hir in einem monat lehrnen, alß in andern
örtern jahr undt tag; auch die exercitien, so einem jungen edelmann
ahnstehen, lernt man beßer hir, alß nirgendts. Allein etwaß ist zu besorgen,
nehmblich die abscheüliche sodomie, womit die gantze frantzösche jugendt jetzt
befleckt ist, wie auch das sauffen, welches greülich hir bey den leütten von
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qualitet im schwang geht. Jedoch wenn jemandes nicht dazu zu bringen ist,
alß wie mein Harling zum exempel, so laßen sie einen mit frieden. Will
denn mein lieb fraw von Harling ihren neveu
[1] herschicken, will ich ihn in
alles mit meinem raht, so gutt ich kan, beystehen, auch alles sehen machen,
waß zu sehen ist. Ich habe ahn Mons. de Croisi
[2] schon gefragt, ob er
herkommen könte, welcher mir offrirt, einen pass zu geben. Mein lieb fraw
von Harling kan mir denn nur berichten, wenn er kommen solle; so offt er
zu mir kommen will, soll er willkommen sein; ich werde mir eine freüde
machen, vor ihren neveu zu sorgen undt euch dadurch zu erweißen, daß ich
allezeit verbleibe …