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Brief vom 28. März 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


10.


[080]
Versailles den 28. mertz 1711.
… Weilen die alliirten woll freüdenfeüer über die bataille gemacht, so sie nicht gewonnen, undt in den gazetten haben setzen laßen, daß der [081] Duc de Noaille[1] totaliter geschlagen seye undt die belägerung von Gironne entsetzt, so meinte ich, daß nohtwendig das Te Deum müste gesungen sein. Hertzog Anthon Ulrich hat mir selber von dem heüraht vom Czaarwitz undt sein enckel geschrieben.[2] Das hat der Czaar mit seinen reißen gewohnen, daß man ihn nicht mehr vor barbar helt. Mich deücht, wenn der Czaarwitz ahnstatt zobeln schone brillants von demanten geben hette, were es etwaß ahngenehmers geweßen undt hette lenger gewehrt alß die zobeln, so baldt von den würmern gefreßen werden. Ich will hoffen, der breütigam wirdt zu Treßden woll zahm genung gemacht worden sein, umb das exercitium mit der krawatsch vergeßen zu haben, denn das steht nicht sonderlich fürstlich. Ein jedes hat sein destin, dem kan man nicht entgehen, insonderheit in heürahten. Weilen der großtürck eine ambassade ahn den Keyßer schickt, muß er woll nichts im reich pretendiren, sondern nur gegen die Moscowitter gehen wollen. Wie in heürahten ein destin, so ist es auch im leben undt sterben; jedem ist sein ziel gesetzt, das man nicht überschreiten kan. Nur gesundt zu leben ist waß ahm meisten zu wünschen ist. Ich schertze gar nicht, wenn ich sage, daß ich graw geworden bin, denn ich bin ja leyder nun alt genung dazu, weilen ich, wie mons. Harling woll weiß, den 27. may in mein 60. jahr trette; so lang ich aber noch zu leben habe, kan er woll versichert sein, daß ich allezeit seine gutte freündin verbleibe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. März 1711 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 80–81
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0010.html
Änderungsstand:
Tintenfass