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Versaille[s] den 3. Januari 1715.
… Ehe ich aber auf mons. Harlings schreiben antworte, muß ich
nach unßerm alten teütschen brauch bey dießem neüen ahngetrettenen jahr
ein glückseeliges, friedt- undt freudenreiches neües jahr wünschen undt
insonderheit eine beßere volkommenere gesundtheit, alß er bißher gehabt hat.
Meine gesundtheit ist gott seye danck gar gut, habe vergangen montag den
hirsch gejagt in calesche. Mein sohn ist gott seye danck in so volkommener
gesundtheit nun, daß er gestern 5 partien im balhaus gespilt hat; daß er
ohnmächtig wardt, kam nur daher, daß er, nachdem er sich so dick gefretten
hatte wie ein schindersteff (wie jene jungfer sagte)
[1] undt hernach in einer
gar warmen cammer bey dem camin eingeschlaffen war, mit einem gar
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starcken husten undt schnupen. Wir seindt nun gottlob beyde gar woll undt
mein sohn hat mir versprochen, hinfüro gescheyder zu sein undt nicht mehr
so abscheülich zu freßen. Hannover jammert mich, so einsam geworden zu
sein, nachdem es allezeit so lustig geweßen. … Madame de Maintenon
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befindt sich gar woll; es ist mir des Königs wegen lieb, denn solte sie zu
sterben kommen, hilte ich es gefährlich vor den König, denn das
attachement vor dieße dame ist sehr groß; sie ist nur zwey jahr alter alß unßer
König. Des Königs in Schweden
[3] leben ist woll romanesque, fehlt
nichts drinen alß daß er verliebt solte werden; wie ich höre, so will er
mit aller gewahlt krieg haben; mich deücht doch, er solte lieber den frieden
wünschen, sein armes reich wider zu ersetzen, alß neüe unruhe zu suchen.
Ich bin ein kindt des friedens undt mögte gern überal frieden sehen. Man
hat mir vor wenig tagen eine gar dolle historie von dem artigen jungen
Busch
[4] undt seiner fraw verzehlt, ich möchte wißen, ob es wahr ist; wenn
es wahr ist, jammert er mich woll von hertzen. Ich muß schließen. …