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Brief vom 2. Mai 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


25.


[092]
Versailles den 2. may 1715.
… Hirbey kompt die andtwort auf des herrn Leibenitz sein zettelgen. Wenn den Englandern zu trauen were, so wolte ich sagen, daß es gutt seye, daß das parlament vor König Georgen seye, allein je mehr man die revolutionen von Engellandt list, je mehr verspürt man den ewigen haß, so sie gegen ihre Könige haben, undt ihre unbeständigkeit; ist mir also immer bang vor König Jorgen. Nostradamus[1] werde ich fleißig studiren; ich habe schon alle prophezeyungen durchgeloffen, alle seindt gar recht auß[er] zwey, die seindt ein wenig anderst, zum exempel im Nostradamus stehen Gand et Bruxelle, in dem andern aber stehet Quand de Bruxelle; das kan im truck verendert worden sein. Ich habe das schlegste gedechtnuß von der welt, insonderheit seyder meinen kindesblattern, aber waß ich in meiner kindtheit gehört undt gesehen, das ist mir allein im gedechtnuß geblieben. Ich erinere mich auch noch woll, wie Mons. Harling sich wegen jungfer Sparr, des Obersten Sparr seiner dochter, schlug in duel undt man ihm eine kugel in den backen schoß, so er erst etlich jahr hernach auf der ruckreiß von Italien loß wurde.[2] … Da sitzt sein neveu undt spilt à lombre undt ich ziehe seine carten. Der persianische ambassadeur[3] [093] ist zahm worden, man hört nichts mehr von ihm. Alles ist mode hir; dießer ambassadeur ist es nicht mehr, es wirdt woll wider waß anderst auf die bahn kommen, ich aber, so lang ich lebe, werde Mons. Harlings wahre freündin verbleiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1715 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 92–93
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0025.html
Änderungsstand:
Tintenfass