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Brief vom 26. Dezember 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


33.


[097]
Paris den 26. december 1715.
… Ob zwar der todt von Chur-Trier[1] mich wegen der abscheülichen betrübtnuß meiner kinder in Lotteringen sehr ist zu hertzen gangen, so gestehe, daß, I. L. den hertzog Ernst August [als] bischoff von Osnabrück undt regierenden herrn zu sehen, mir zu einem großen trost gedint hat, wie ich I. L. mit dem hiebey ligenden schreiben bezeüge; bitte, es I. L. zu schicken. Ich habe I. L. nicht eher geschrieben, weilen man mir versichert hatte, daß [es] viel difficulteten geben würde undt daß es nicht sicher were, daß er bischoff von Osnabrück werden würde.[2] Hertzogs [098] Max verenderung von der religion habe ich nie begreifen können, denn wie ich von seinem glauben in allem gehört, so war er schwach; kein weltlichen vortheil hat er drinen gefunden undt niemandts von seinen verwanten hat ihn dazu getrieben. Dieße 3 ursachen seindt doch die, so einen von religion endern machen; der glaube hat es dan gewiß nicht gethan, das interesse noch weniger, weilen er ein fürstenthum drüber verliehrt. Ich sehe dan nichts anderst alß daß ein gar lieber mundt ihn dazu muß persuadirt haben. Weilen ich aber Hertzog Max nicht kene undt er nichts nach mir fragt undt ich Hertzog Ernst August kene undt lieb habe, bin ich fro, daß es so gangen ist. Der Churfürst von Trier[3] soll gar pfaffisch gewest sein undt hat alle seine pfaffen regiren laßen. Es ist den armen betrengten woll zu gönnen, wider lufft zu schopfen. Hannover wirdt werden wie das arme Versailles, undt Herrenhaussen wie Marly; aber warumb wirdt kein hoff mehr zu Hannover [gehalten]? geht denn der kleine printz Fritzgen[4] nach Engellandt? Ich finde, daß die revolutionen so geschwindt fort [gehen] alß wie ein act von einer commedie. Ich habe von vielen gelehrten gehört, daß woll allezeit große revolutionen in [der] weldt geweßen seindt, aber nie so geschwindt von statten gangen, alß seyder 60 oder 70 jahren, undt noch insonderheit seyder 40 jahren. Man sagt, daß der König in Schweden wider ein wenig lufft bekompt in Stralsundt[5], daß der König in Poln nach Poln muß mit seinen volckern, weilen gantz Poln wider ihn rebellirt sein soll. Der König in Denemarck soll sich auch reteriren undt nach hauß gehen, umb dem König in Poln beystehen zu können, undt der König in Preussen hat nicht allein vor Stralsund bleiben wollen… Das gedruckte hat mir sein neveu gegeben, aber ich hatte es schon gesehen durch den envoyé von Denemarck, Mons. Wernicke.[6] Die Schotten undt Englander von St. Germain undt mylord Stairs[7] verendern alle schottischen zeittungen der maßen, daß man mühe hat, recht zu wißen, waß wahr ist oder nicht; es wirdt sich doch baldt außweißen müßen… [099]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Dezember 1715 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 97–99
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0033.html
Änderungsstand:
Tintenfass