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Brief vom 3. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


57.


[115]
St. Clou[d] den 3. Julli 1718.
… Von meiner langweilligen ceremonie, den ersten stein im closter de l’abbaye au bois zu legen, werde ich nichts mehr sagen; aber ich bin woll seiner meinung, daß unßerm herr gott wenig dran gelegen ist, ob einer kirchen erster stein von einem maurer oder fürsten gelegt wirdt, denn wir seindt ja alle nur staub undt aschen vor unßerm herr gott. Ich kene mich gottlob selber gar woll, weiß also, worin man mich flattirt oder nicht, aber poeten seindt zu entschuldigen, denn poesie erfordert ein wenig exageration. … Ich habe gottlob noch einen gutten teütschen magen, der alles woll verdauet; alle abendt eße ich ein salatgen, so alle Frantzoßen sehr verwundert; sie verderben ihre magen, daß sie sie mittags undt abendts zu sehr überladen. … Ich finde, daß es eine rechte liebe ist, wenn man [116] kinder scharpf helt; wenn man raisonabel wirdt, [erkennt man,] auß welcher ursach es geschehen, undt weiß denen am meisten danck, so mit solcher affection unß zum besten vor unß gesorgt haben, denn von natur seindt alle kinder zum boßen geneigt, drumb muß man sie kurtz halten. Wolte gott, die gutte fraw von Harling were bey mir blieben, biß ich geheüraht worden, so würde ich noch beßer geworden sein; zu der jungfer Colb[1] hatte ich keine affection noch vertrawen. Mons. de Polier[2] aber der hat die hoffmeisterstelle redtlich verricht; wer mir aber noch mehr instruction geben, war der gutte ehrliche Weibenheim,[3] dem habe ichs auch all sein leben danck gewust. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 115–116
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0057.html
Änderungsstand:
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