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Brief vom 26. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


71.


[130]
Paris den 26. Jan. 1719.
… Meines sohns feinde, so in großer menge bey hoff sein, haben nicht auß lieb vor Mons. du Maine, sondern auß haß vor meinen sohn [131] solche falschheyten undt lügen von ihm außgebreydt, welches noch desto undanckbarer ist, indem mein sohn allen hoffleütten, seyder er regent ist, mehr guts gethan, alß der König seel. in seiner gantzen regierung gethan. Aber alle seindt nicht zufrieden, wenn sie nicht selber regieren undt regenten sein; alles hat ambition in Franckreich biß auf die weiber, so alle meinen, sie würden das Königreich woll regieren können, undt wir lachen alle einander auß: sie mich, daß ich mich undüchtig dazu halte undt fest glaube, daß es der weiber sache nicht ist, undt mich in nichts mischen will, undt ich sie, daß sie so falsche opinionen von sich selber [haben] undt sich viel capabler zu sein einbilden, alß ich finde, daß sie sein, undt ihre naß in alles stecken. Meines sohns gemahlin were in der that recht zu beklagen, denn sie nicht in der falschen opinion war, daß ihrem bruder unrecht geschehen, daß er nicht regent seye undt ihrem manne undt dem fürsten von königlichem geblüt solte vorgezogen werden, undt will nicht begreifen, daß der bastardstandt eine schande seye undt sie durch ihren heüraht erhöhet ist worden, da doch ihre elste schwester undt jüngster bruder beydes gestehen. Das macht mich etlich mahl recht ungedultig über sie, gehe davon, umb nicht zu reden, würde sonsten greülich mit der thür in die stuben fallen. Mein sohn ist ein unglückseeliger mensch, den ellenden heüraht gethan zu haben; hette er mir geglaubt, were es nie geschehen; aber es ist gottes wille nicht geweßen, er hat unß, insonderheit mir, dieß fegfewer geschickt; sie ist gantz vor ihren bruder undt verhehlts nicht sonderlich. So eine zeit wie dieße hat man, glaube ich, noch nie erlebt, da man nichts alß lauter unglück undt verdrießlichen sachen hört; das macht die rauschenplattenknechtger ahnstatt lustig sehr nachdenckisch. … Des duc undt der duchesse du Maine boßheit ist nicht zu erdencken; von ihm wunderts mich eben nicht sehr, denn er hat die unchristlichste, ehrvergeßenste undt leichtfertigste mutter von der welt gehabt[1], aber waß zu verwundern ist, ist seine gemahlin, die noch viel schlimmer ist, alß er, undt die tugendtsambste mutter[2] von der welt hat. …
P. S. Ich bitt noch, mir in einem paquet von dem braunen kohlsamen zu schicken, so man in gantz Franckreich nicht finden kan. Ich wils in einen garten zu St. Clou setzen laßen, denn so mir gott das leben noch ein jahr verleydt, hoffe ich, daß es mir den husten curiren wirdt, denn nichts ist mir gesunder vor die brust undt hat mich vor etlichen jahren von einem abscheülichen husten curirt. [132]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 130–132
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0071.html
Änderungsstand:
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