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Brief vom 20. April 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


76.


[135]
Paris den 20. april 1719.
… Mich deucht, der Königin in Schweden[1] regierung fengt nicht glücklich ahn, weilen es mit henken, viertelen undt kopfen ahnfengt, also lauter tragedien. Mich deücht auch, daß es jetzt in allen ecken undt enden so wunderlich zugeht, daß man meinen solte, daß der jüngste tag nahe were. Ich glaube woll, daß es des Königs in Englandt intention ist, nach Hernhaußen zu reißen, ich glaube aber nicht, daß es ihm möglich sein wirdt, insonderheit wofern der Duc d’Ormond mit seinen 6 tausend Spaniern eine descente in Schottlandt thut… Wir haben vergangenen sambstag abendts eine fromme seele zu St. Cire verlohren, nehmblich die alte Maintenon[2]; ein donnerwetter ist schuldig an ihrem todt, denn es hat ihr die rödtlen, so sie hatte, einschlagen machen; davon ist sie wie ein jung mensch gestorben. Sie hat vier jahre von ihrem alter verhehlt, sie gab sich nur 82 jahr, undt war 86 alt.[3] Were sie vor 20 jahren gestorben, hette es mich hertzlich erfreüet, aber nun ist es mir weder lieb noch leydt.
Ich muß gestehen, ich mögte von grundt der seelen wünschen, daß man dem verfluchten Hintzelman[4], dem duc de Richelieu sein recht thete, er ist gar zu inpertinent: umb zu weißen, daß er nichts nach seiner gefängnuß fragt, hat er seine flötte undt basse de viole hollen laßen undt [136] ein dambrett, sich zu amusiren. Er spargirt durch gantz Paris auß, mein sohn hette ihn nur in die bastille setzen laßen, weilen er les doux yeux ahn mad. de Valois gemacht hette. Meines sohns gedult mit dießem inpertinenten bürschgen macht mich auß der haut fahren vor ungedult undt macht mich recht grittlich.[5] Aber heütte über 8 tag gehe ich nach St. Cloud, wo ich ob gott will nichts mehr von dießem allen hören noch sehen werde. Sein neveu hat gestern zum 3. mahl vor Mons. Rigeaud[6] sitzen sollen, aber er kan nicht, denn er ist in keinem standt, lang sitzen zu können, denn er hat sich met verlöff met verlöff, wie die alte fraw von Wolzogen alß pflegt zu sagen, den dribsdrill[7] ahn einem gutten gebrattenen spanferckel[8] ahngefreßen, daß er gestern nicht hat mit mir außgehen können…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. April 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 135–136
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0076.html
Änderungsstand:
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